Die toleranten Niederländer bannen die Burka. Mit großer Mehrheit beschloss das Parlament in Den Haag am Dienstag ein Teilverbot der Totalverschleierung und des Nikab, der nur die Augen freilässt. Sie sollen künftig in öffentlichen Verkehrsmitteln, Krankenhäusern und Regierungsgebäuden untersagt sein. Verstöße könnten mit bis zu 400 Euro Geldstrafe geahndet werden. Nun muss das Gesetz noch durch den Senat. Betroffen wären schätzungsweise 400 Frauen, darunter viele Konvertitinnen.
Die Entscheidung des niederländischen Parlaments könnte auch die deutsche Debatte über ein Burkaverbot neu entfachen, die nach einem Schlagabtausch im Sommer wieder abebbte. Die Verbotsbefürworter können sich derweil auf andere europäische Länder berufen, die das Tragen von Burka oder Nikab untersagen - oder es demnächst tun könnten.
Frankreich: Auch Strafen für Männer
Im laizistischen Frankreich gilt schon seit 2010 ein Gesetz, das die Verhüllung des Gesichts in der Öffentlichkeit verbietet. Verstöße können mit bis zu 150 Euro Geldstrafe geahndet werden. Seither kam es jedes Jahr zu mehreren hundert solcher Verstöße. Die Klage einer Muslimin vor dem Europäischen Menschenrechtsgerichtshof wegen Diskriminierung wurde abgewiesen: Damit steht auch ein komplettes Burkaverbot in der Öffentlichkeit nicht im Gegensatz zur Europäischen Menschenrechtskonvention.
Ein Sonderfall ist die französische Regelung, wonach auch Männer, die Frauen zur Vollverschleierung zwingen, hart bestraft werden können. Es drohen ein Jahr Gefängnis oder bis zu 30.000 Euro Geldstrafe. Damit können also auch Fälle geahndet werden, in denen Männer ihre Frauen zu Hause einsperren, weil sie draußen weder Burka noch Nikab tragen dürfen.
Belgien: Keine Vollverschleierung in der Öffentlichkeit
Auch in Belgien ist seit 2011 der gesamte öffentliche Raum für Vollverschleierte tabu. Mit fast 140 Euro fällt die Strafe bei Zuwiderhandlung ähnlich hoch aus. Bislang kam es zu mehreren Dutzend Verstößen. Das Brüsseler Verfassungsgericht bestätigte die Regelung. Sowohl in Frankreich wie in Belgien und Italien wird derzeit auch über ein Verbot des Ganzkörperbadeanzugs "Burkini" an Stränden und in Schwimmbädern diskutiert.
Im Schweizer Kanton Tessin erbrachte 2013 eine Volksabstimmung eine große Mehrheit für ein Verbot der Gesichtsverhüllung. Betroffen sind davon vor allem die Frauen reicher Araber, die gerne dort Urlaub machen. Laut einer Bilanz der Polizei kam es aber bislang kaum zu Problemen.
Debatte auch in Spanien und Österreich
In Spanien verhinderte das Parlament 2010 zwar einen Vorstoß des Senats, den Gesichtsschleier in der Öffentlichkeit zu untersagen. Verbote gibt es aber auf kommunaler Ebene, vor allem in katalanischen Städten wie Barcelona. Auch in Österreich sorgt die Debatte über ein Verschleierungsverbot für Zündstoff. Nicht nur die rechtspopulistische FPÖ, auch Integrationsminister Sebastian Kurz (ÖVP) setzt sich für einen Bann der Ganzkörperverhüllung in der Öffentlichkeit ein.
Das italienische Anti-Terror-Gesetz von 1975 verbietet die Vermummung im öffentlichen Raum; noch wird es aber nicht auf Musliminnen angewandt. Doch auch dort läuft eine entsprechende Diskussion, insbesondere im Norden des Landes mit seinen zahlreichen Migranten aus islamischen Ländern. Vereinzelt gibt es bereits Verbote auf kommunaler Ebene.
Strenge Regeln in Russland
In Russland leben rund 20 Millionen Muslime. In öffentlichen Gebäuden und staatlichen Schulen sind nicht einmal Kopftücher erlaubt. Besonders in den Kaukasus-Regionen kommt es immer wieder zu Spannungen um die Vollverschleierung. Zwei Kaukasus-Regionen haben selbst das einfache Kopftuch, den Hijab, in der Öffentlichkeit verboten.
In den besonders islamkritischen Gesellschaften Mittel- und Osteuropas spielen Burka-Debatten bisher keine große Rolle - wohl nur deshalb, weil der ultrakonservative Islam dort bislang kaum in Erscheinung tritt. Nur Lettland beschloss im Januar 2016 ein Verbot.
Dänemark hat zwar ein sehr restriktives Asylrecht, ein eigenes Verbotsgesetz für die maximal 200 Trägerinnen von Burka und Nikab hielt man aber nicht für erforderlich. Ähnlich verlief die Debatte in Großbritannien. Der Bann einer bestimmten Bekleidungsform passe nicht zu den britischen Werten, so der politische Tenor.