Der Fall sei von "maßgeblicher Bedeutung", sagte die Expertin für Religions- und Rechtsfragen, Doris-Maria Schuster, der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) bereits im Juli vor der Anhörung.
In Deutschland ist das Selbstverwaltungsrecht der Kirchen in Artikel 140 des Grundgesetzes verankert. Das bedeutet zum Beispiel, dass Kirchen unabhängig entscheiden können, wen sie einstellen. Das sei eine Besonderheit in Europa, so Schuster. In den meisten anderen EU-Staaten sei die Position der Kirchen nicht verfassungsrechtlich geschützt. Während das Bundesarbeitsgericht in Deutschland die Sonderstellung der Kirchen bereits in mehreren Urteilen bestätigte, ist das auf europäischer Ebene nicht der Fall.
"Identifikation mit dem diakonischen Auftrag"
Am 9. November verkündet nun der zuständige Generalanwalt Evgeni Tanchev seine Einschätzung zur deutschen Regelung. Sie dient Richtern als Entscheidungshilfe, muss jedoch von ihnen nicht befolgt werden. Im Zentrum steht die Frage, ob es nach europäischem Recht eine Diskriminierung darstellt, wenn ein Bewerber bei einem kirchlichen Arbeitgeber wegen Konfessionslosigkeit ausgeschlossen wird.
Geklagt hat die konfessionslose Vera Egenberger. Sie bewarb sich beim Evangelischen Werk für Diakonie und Entwicklung e.V. auf eine Referentenstelle zur UN-Antirassismuskonvention. Die Ausschreibung enthielt unter anderem die Angabe, dass die "Mitgliedschaft in einer evangelischen oder der ACK angehörenden Kirche und die Identifikation mit dem diakonischen Auftrag" vorausgesetzt werde. Die Konfession musste im Lebenslauf angegeben werden. Die Bewerbung von Egenberger war nach einer ersten Sichtung zwar noch im Auswahlverfahren verblieben. Zu einem Vorstellungsgespräch wurde sie aber nicht eingeladen.
Unterschiedliche Behandlung
Egenberger ist der Auffassung, dass sie wegen ihrer Konfessionslosigkeit diskriminiert wurde. Sie sieht darin einen Verstoß gegen die europäische Gleichbehandlungs-Richtlinie, die EU-Mitgliedstaaten in nationales Recht umsetzen müssen. Im Gegensatz zu einer Verordnung geben Richtlinien den Staaten jedoch die Möglichkeit, die EU-Vorgaben an nationale Gegebenheiten anzupassen.
In Deutschland ist die Richtlinie im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) umgesetzt. Paragraf 9 dieses Gesetzes regelt unter anderem, dass eine unterschiedliche Behandlung wegen Religion oder Weltanschauung in Deutschland zulässig ist, wenn die Religionszugehörigkeit nach dem Selbstverständnis der Kirche für die Stelle wesentlich ist.
Selbstbestimmungsrecht
Egenberger argumentiert, dass diese weite Umsetzung der Gleichbehandlungsrichtlinie im AGG in Deutschland nicht europakonform sei. Sie fordert deswegen eine Entschädigung von mindestens 9.788,65 Euro, weil sie die Stelle nicht bekam. Artikel 4, Absatz 2 der Richtlinie aus dem Jahr 2000 sieht jedoch auch vor, dass eine Ungleichbehandlung wegen der Religion keine Diskriminierung darstellt, wenn die Religion eine "wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung" für die Tätigkeit oder die Umstände ihrer Ausübung ist. Zudem können demnach Regeln beibehalten werden, die zum Zeitpunkt der Annahme der Richtlinie in den Staaten schon bestanden.
Die Richter des Bundesarbeitsgerichts wollen nun vom EuGH wissen, ob Artikel 4 dahingehend ausgelegt werden kann, dass die Kirchen selbst bestimmen dürfen, wann Religion eine berufliche Anforderung ist. "In Frage steht, wie weit das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen in Arbeitsverhältnissen reicht", sagte Juristin Schuster der KNA. Im Kern gehe es um einen nachprüfbaren Bezug zwischen der Art der Tätigkeit und dem Kriterium der Religionszugehörigkeit.
"Beschränkungen der in Freiheiten"
Die Juristin verweist dabei auf Artikel 17 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV). Die neueste Fassung des Vertrages gilt seit Ende 2009 und trat damit nach der Gleichbehandlungsrichtlinie in Kraft. Der AEU-Vertrag betont, dass die EU den Status, den Kirchen nach nationalem Recht haben, achtet und nicht beeinträchtigt.
Ein Gespür für so sensible Fragen des gesellschaftlichen Umgangs haben die Richter des EuGH im März bewiesen. Beim Urteil zum Kopftuchverbot in Unternehmen betonten sie einerseits, dass die lokalen Gepflogenheiten beachtet werden müssten, andererseits seien die "Beschränkungen der in Rede stehenden Freiheiten auf das unbedingt Erforderliche zu begrenzen". Das Urteil folgt in einigen Monaten.