Europarat wurde vor 60 Jahren gegründet

Noch nicht reif für die Rente

Nach dem Zweiten Weltkrieg lagen große Teile Europas in Schutt und Asche, Nachbarn wie Deutschland und Frankreich waren verfeindet. Deshalb war 1946 die Rede des damaligen britischen Oppositionsführers Winston Churchill an der Züricher Universität auch eine Sensation: Der ehemalige Kriegs-Premier sprach über seine Hoffnung auf eine "Art Vereinigter Staaten von Europa".

Autor/in:
Martina Gnad
 (DR)

Am 5. Mai 1949, vor 60 Jahren, sollte seine Vision zumindest ein Stück weit in Erfüllung gehen: Belgien, Dänemark, Frankreich, Irland, Italien, Luxemburg, die Niederlande, Norwegen, Schweden und Großbritannien gründeten den Europarat. Mit der Unterzeichnung der «Londoner Verträge» einigten sie sich darauf, von nun an die Menschenrechte zu achten und Kriege zu vermeiden. Damit ist der Europarat die älteste europäische Nachkriegsorganisation, die auf Frieden und Zusammenarbeit ausgerichtet ist. Der einstige Kriegstreiber Deutschland trat am 13. Juli 1950 als 14.
Mitgliedsland bei.

Seitdem sind weitere 33 Staaten hinzugekommen: Der Europarat zählt heute 47 Mitgliedsländer, von der Schweiz bis Russland, von Island bis zur Türkei. Die Organisation kann für sich in Anspruch nehmen, die Menschenrechte von 800 Millionen Europäern zu verteidigen. Das «demokratische Gewissen Europas» wird der Europarat darum oft genannt. Seine wichtigste Errungenschaft ist die Europäische Menschenrechtskonvention von 1950, die neben der Wahrung der Freiheitsrechte oder dem Verbot von Folter seit 2002 auch die Abschaffung der Todesstrafe in den Mitgliedsländern zum Inhalt hat.

In einer «EU der 27» gerät der Europarat allerdings mehr und mehr in den Hintergrund. Seine Stärke konnte der Staatenbund besonders in Momenten historischer Umbrüche beweisen. War er 1949 die erste Nationen verbindende Nachkriegsorganisation, so war er nach dem Fall des Eisernen Vorhangs 1989 die erste Organisation, die die Ostblockstaaten bei einer demokratischen Neuausrichtungen unterstützte. Ungarn war damals der erste Staat, der 1990 dem Europarat beitrat, 14 Jahre bevor es Mitglied in der Europäischen Union wurde.

Von Anfang an hatte der Europarat seinen Sitz in Straßburg.
Beschlussfassendes Organ ist das Ministerkomitee, das sich aus den 47 Außenministern zusammensetzt. Das beratende Organ des Rates, die Parlamentarische Versammlung, hat 318 Mitglieder und ebenso viele Stellvertreter, die von ihren nationalen Parlamenten entsandt werden und sich viermal im Jahr treffen. Der Vorsitz wechselt halbjährlich; bis 12. Mai ist noch Spanien an der Reihe. Zusätzlich zu den 47 Mitgliedstaaten gibt es 5 Staaten und Völkerrechtssubjekte mit Beobachterstatus: die USA, Kanada, Japan, Mexiko und der Vatikan.

Zum 50. Jahrestag der Gründung würdigte 1999 der damalige Papst Johannes Paul II. (1978-2005) die Bedeutung des Europarates: Die Achtung der Menschenrechte übertreffe die nationale Oberhoheit und dürfe nicht sozialpolitischen Zwecken untergeordnet oder durch nationale Interessen beeinträchtigt werden.

Wie aktuell diese Mahnung auch zehn Jahre später noch ist, zeigen die Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. Regelmäßig prangert er gravierende Menschenrechtsverletzungen in Ländern wie Russland und der Türkei an. Allein 2008 wurden 32.045 Fälle behandelt, elf Prozent mehr als im Jahr zuvor. Und der Sondergaststatus des Beitrittskandidaten Weißrussland wurde aufgrund von Verstößen gegen die Menschenrechte und demokratischen Grundsätze ausgesetzt. Das demokratische Gewissen Europas kann auch 60 Jahre nach seiner Gründung noch nicht in Rente gehen.