Eva Menasse über das Buchprojekt "Oliven und Asche"

"Religion lässt sich leicht missbrauchen"

Die israelische Organisation "Breaking the Silence" hat 26 international gefeierte Schriftsteller eingeladen, ins Westjordanland zu reisen und einen Text zu schreiben. "Oliven und Asche" heißt das Buch, das daraus entstanden ist.

Konflikt zwischen Palästinensern und Israelis in Hebron / © Abed Al Hashlamoun (dpa)
Konflikt zwischen Palästinensern und Israelis in Hebron / © Abed Al Hashlamoun ( dpa )

"Das sind junge Soldaten, die aus der Militärzeit zurückgekommen sind und das Gefühl gehabt haben, das, was wir da tun, ist nicht gut, das ist nicht gut für uns junge Soldaten, das ist aber auch nicht gut für unser Land. Wir unterdrücken dort ein ganzes Volk und das seit 50 Jahren", so beschreibt Eva Menasse, österreichische Autorin mit jüdischen Wurzeln, die Entstehungsgeschichte von "Breaking the Silence".

Die israelische Organisation hat Schriftsteller aus aller Welt eingeladen, nach Palästina zu reisen, um dort das besetzte Westjordanland zu besuchen und darüber zu schreiben. So wurde auch Eva Menasse angeschrieben. Die österreichische Bestsellerautorin stammt aus einer jüdischen Familie. "Das hat es mir schwerer und leichter gemacht", sagt sie im DOMRADIO.DE Interview. "Ich hatte zuerst einen riesigen Widerstand, als ich die Einladung bekam, weil ich immer großes Glück über die Existenz von Israel empfunden habe - einfach aufgrund meiner Familiengeschichte".

Eva Menasse erzählt dann von ihren vielen israelischen Freunden, von ihren zum Teil extremen Meinungen zu den Palästinensern. "Mir war schon klar, dass eine Besatzung, die mehrere Jahrzehnte andauert, kein Frühlingsspaziergang ist", sagt sie, "und dass da bestimmt irgendwelche schlimmen Sachen passieren. Man hofft aber immer, dass die Armee eines Staates, den man mag, den man für demokratisch hält, doch versuchen wird, diese Übertretungen auf ein Minimum zu reduzieren und nur das zu machen, was nötig ist".

Der Schriftstellerin war aber auch klar, dass sie da etwas verdrängt hat, und dass man, wie sie sagt, hingucken muss. Deshalb sei sie der Einladung gefolgt und dorthin gefahren. "Das war beileibe nicht angenehm", fasst sie ihre Reise ins Westjordanland zusammen.

So macht man neue Terroristen

"Hundert Kinder", so heißt der Text, den Eva Menasse für das Buch "Oliven und Asche" geschrieben hat. Sie schildert, wie ein achtjähriges Palästinenserkind die Räumung und den Abbruch des Elternhauses durch die israelische Armee erlebt. "Ich habe so viele zerstörte Häuser gesehen. Ich habe Kinder gesehen, wie sie am Morgen im Schutt der Häuser spielen, die ein Tag zuvor noch ihr Zuhause waren". Menasse habe sich gefragt, ob die Kinder je über so etwas hinwegkommen. Dieses Bild sei ein Sinnbild dafür, wie man neue Terroristen mache. "Zerstört die Häuser. Reißt die Kinder aus ihren Kinderbetten und walzt einfach drauf, dann kannst du sicher sein, dass die Kinder dich für den Rest ihres Lebens hassen werden", sagt die Autorin.

Auf der anderen Seite war Eva Menasse zutiefst erschüttert, wie jüdische Kinder fanatisch von ihren Eltern gegen die Palästinenser aufgehetzt wurden. "Als Mensch mit jüdischen Wurzeln fühle ich mich da sehr betroffen", sagt sie. Schwer erträglich sei auch "die Vorstellung, dass jüdische Eltern ihren Kindern erlauben, sich vor der Schule der palästinensischen Kinder zu versammeln und wenn sie herauskommen, Steine auf die zu werfen. Dass Erwachsene derart fanatisiert sind, dass sie ihre Kinder zu solch einem aggressiven Hass anstacheln".

Religion wird instrumentalisiert

In Palästina und Israel spielt Religion eine wichtige Rolle. Hier befinden sich die großen Heiligtümer des Islam, des Juden- und Christentums. Aber Religion werde hier häufig instrumentalisiert, um die Menschen zu manipulieren, sagt Eva Menasse, denn "Religion lässt sich leicht missbrauchen, weil sie auch immer wieder auf den unmündigen Gläubigen abzielt, auf einen Menschen, der sich von seinem Rabbi, Pfarrer oder Vorbeter sagen lässt, was er zu tun hat und nicht selbst denkt".

Menasse glaubt nicht, dass Religion so gedacht sei, den Menschen dazu aufzurufen, das Selbstdenken an der Garderobe abzugeben. Zumindest das Christentum habe sie immer so empfunden, dass es den Menschen dazu aufrufe, hilfsbereit, verständnisvoll und empathisch zu sein und auch die andere Seite zu sehen.

Eva Menasse kritisiert die israelische Besatzung im Westjordanland. In Deutschland ist das ein sensibles Feld. Darf man das mit der deutschen Vergangenheit im Rücken? Eine schwierige Frage. Sie habe gute Freunde, die hätten ihr in Bezug auf ihre Reise ins Westjordanland und das Buchprojekt gesagt, dass sie für ihr Handeln durchaus Verständnis hätten, selbst aber könnten sie als Deutsche bei diesem Thema und der Kritik Israels nicht in der ersten Reihe stehen. "Trotzdem sollte man doch wissen, was da los ist und auch die Scheuklappen ablegen", ist die Autorin überzeugt.

Israel habe ein erhöhtes Sicherheitsbedürfnis. Aufgrund der Geschichte und der geographischen Lage des Landes sei das sehr verständlich, sagt Eva Menasse. Dafür dürften aber die grundlegenden Menschenrechte für die Palästinenser nicht geopfert werden. "Das ist eben kein Gegensatz. Und das ist auch der Grund, warum so viele jüdische und israelische Autoren an diesem Projekt teilnehmen, weil uns die Existenz Israels am Herzen liegt und weil wir uns wünschen, dass Israel auch einmal in Frieden leben kann. Die Bevölkerung auf beiden Seiten will doch Frieden und Sicherheit und Stabilität. In diesem Sinne habe ich an diesem Buchprojekt teilgenommen".


Eva Menasse / © Ekko von Schwichow
Eva Menasse / © Ekko von Schwichow
Quelle:
DR