Evangelische Kirche schreibt offenen Brief wegen WM an DFB

"Der Sport muss wieder ins Zentrum rücken"

Die Fußball-WM in Katar wird aufgrund der Menschenrechtslage kritisiert. Die evangelische Kirche äußert ihre Bedenken in einem offenen Brief an den Deutschen Fußballbund. Präses Latzel erklärt, ob Fußballgucken trotzdem in Ordnung ist.

Offizielle Countdown-Uhr für die Fußball-WM in Katar / © HasanZaidi (shutterstock)
Offizielle Countdown-Uhr für die Fußball-WM in Katar / © HasanZaidi ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Sie haben zusammen mit der Ratsvorsitzenden Annette Kurschus einen offenen Brief an den DFB Präsidenten Bernd Neuendorf geschrieben. Was fordern Sie denn darin?

Thorsten Latzel (Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland): Sie sprachen ja gerade schon viele von den Menschenrechtsverletzungen an, die es in Katar gibt. Es geht um die Rechte von Arbeiterinnen und Arbeitern, von sexuellen Minderheiten, Frauenrechte, aber auch Presse-, Religions- und Meinungsfreiheit. Wir setzen ein Zeichen, dass wir hinschauen und den DFB auffordern, auch sich dafür einzusetzen.

Thorsten Latzel, Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland / © Harald Oppitz (KNA)
Thorsten Latzel, Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland / © Harald Oppitz ( KNA )

DOMRADIO.DE: Glauben Sie denn, dass dieser Ihrer Aufforderung nachkommen wird?

Latzel: Man muss ja sagen, es tut sich etwas. Auch bei dem Besuch jetzt von der Innenministerin zusammen mit Herr Neuendorf wurde es noch einmal thematisiert. Ich habe Herrn Neuendorf selber schon einmal kennenlernen können bei einem Gottesdienst. Er ist ein sehr offener Mensch. Ich glaube schon, dass diese öffentliche Wahrnehmung etwas bewirkt.

DOMRADIO.DE: Die WM findet erstmals im Winter statt, weil es im Sommer in Katar zu heiß wäre. Sie finden auch den Zeitpunkt absolut ungeeignet. Warum?

Latzel: Das ist einmal mit Blick auf den Fußball natürlich etwas völlig Ungewöhnliches für uns. Es stört uns aber vor allem, dass das Eröffnungsspiel etwa am Ewigkeitssonntag stattfindet, dem Tag, an dem wir hier in den Kirchen besonders an die Verstorbenen des letzten Jahres denken. Auch die Adventszeit ist einfach eine Zeit der Einkehr, der Buße. Da so ein sportliches Großereignis reinzulegen, auch in die Zeit des Chanukka Festes im Judentum, das ist ziemlich unpassend.

DOMRADIO.DE: Auf der anderen Seite dürfte es doch der südlichen Hemisphäre eigentlich ganz entgegenkommen, weil die angenehmes Wetter haben und ansonsten immer im Winter die WM haben.

Latzel: Ja, man muss aber trotzdem immer noch mal schauen, auch unter welchen Bedingungen diese Sport-Großereignis stattfindet. Man muss einfach sagen, auch ökologisch ist das problematisch. Das haben wir bei anderen Sportereignissen in Katar auch schon erlebt. Vielleicht erinnert man sich noch, als es den Marathonlauf da gab, der dann auch nachts stattfinden musste. Dass wir Stadien haben, die wir kühlen müssen, also alles das sind Bedingungen, die eigentlich nicht für den Sport geeignet sind.

DOMRADIO.DE: Es geht Ihnen ja auch um die Vergabepraxis und die Tatsache, dass die WM an Katar vergeben wird. Tatsächlich muss man ja feststellen, dass diese Spiele immer häufiger auch in autoritär geführten Ländern, denn in freien Demokratien ausgetragen werden. Wir erinnern uns an Russland 2018. Vielleicht kooperiert die FIFA lieber mit Autokraten? Da lassen sich solche Projekte einfacher durchziehen?

Thorsten Latzel (EKD-Sportbeauftragter)

"Der Sport muss wieder ins Zentrum von sportlichen Großereignissen rücken."

Latzel: Das ist ja nicht nur bei der FIFA so, sondern auch bei anderen sportlichen Großereignissen. Das Phänomen nennt sich Sports Washing. Also da gibt es ein Wechselspiel auf der einen Seite von FIFA oder anderen Sport-Großverbänden, die einfach ein kommerzielles Anliegen an dieser Stelle haben und auf der anderen Seite das Anliegen der Staaten, sich ethisch rein darzustellen. Da müssen wir raus. Der Sport muss wieder ins Zentrum von sportlichen Großereignissen rücken und wir wollen sportliche Spiele haben, die auch einer offenen, demokratischen Gesellschaft dienen.

DOMRADIO.DE: Sigmar Gabriel oder auch Ihr Amtsbruder, der Frankfurter Stadionpfarrer, Eugen Eckert, finden, dass wir da mit zu viel deutschem Hochmut rangehen. Katar habe vor allem bei den Arbeitsrechten schon viele Fortschritte gemacht. Sehen Sie das auch so?

Latzel: Also es gibt Fortschritte. Das muss man sagen. Man darf da auch jetzt nicht irgendwie nur schwarz weiß malen. Etwa das Kafala System wurde abgebaut. Aber da ist trotzdem noch sehr viel Luft nach oben, da sind weiter Bedingungen, wie wir sie uns nicht für andere Menschen wünschen. Und es ist gut, dass wir uns weiter dafür einsetzen.

DOMRADIO.DE: Wir haben auch mit Bruder Paulus Terwitte über dieses Thema gesprochen und die Frage gestellt, ob wir uns die Spiele mit Freude ansehen dürfen. Wie sehen Sie das?

Latzel: Die Frage ist jetzt nicht, ob man die Spiele jetzt boykottiert oder schaut. Ich glaube, man kann für beides gute Gründe finden. Wichtig finde ich, dass wir auf die Situation der Menschenrechte achten und uns insgesamt für einen Sport einsetzen, in dem der Mensch im Zentrum steht.

Das Interview führte Tobias Fricke.

Hilfswerk missio Aachen zeigt Ausbeutung in Katar die rote Karte

Das katholische Hilfswerk missio Aachen will vor Beginn der Fußball-WM auf die Ausbeutung von Migrantinnen im Gastgeberland Katar aufmerksam machen. In einer Online-Petition fordert missio Außenministerin Annalena Baerbock auf, sich beim Emir von Katar für die Belange von Frauen in dem Golfstaat einzusetzen. Die Stimmen aller Unterzeichnerinnen und Unterzeichner will das Hilfswerk im November kommenden Jahres der Grünen-Politikerinnen übergeben. "Denn wir verfolgen das Thema weiter, auch wenn die WM beendet ist und die Fernsehteams weitergezogen sind", so missio.

Vor der Fußball-WM 2022 in Katar / © Christian Charisius (dpa)
Vor der Fußball-WM 2022 in Katar / © Christian Charisius ( dpa )
Quelle:
DR