Evangelische und katholische Bischöfe spüren Nähe und Trennendes

Heiligland-Reise mit Eigendynamik

Martin Luther wetterte oft gegen das Pilgern nach Rom oder Santiago. Doch wenn es ums Heilige Land ging, dachte er anders. Nun sind evangelische und katholische Kirchenführer gemeinsam dorthin gepilgert

Autor/in:
Ludwig Ring-Eifel
 Unterwegs durch die Jerusalemer Altstadt / ©  Harald Oppitz (KNA)
Unterwegs durch die Jerusalemer Altstadt / © Harald Oppitz ( KNA )

"Nicht dass ich solch Wallen verachte", schrieb der Reformator 1530 in einem Brief an einen Jerusalempilger und fuhr fort: "Denn ich möchte selbst solche Reise gern thun, und nu ich nicht mehr kann, höre und lese ich doch gern davon."

Ob Luther auch Gefallen an der ersten gemeinsamen Pilgerreise von evangelischen und katholischen Bischöfen ins Heilige Land gefunden hätte? Vermutlich hätte er sich dergleichen nicht einmal vorstellen können. Umso bemerkenswerter ist die einwöchige Pilgerreise von je neun Mitgliedern der Deutschen Bischofskonferenz und des Rats der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), die am Samstag in Jerusalem mit einem Gottesdienst unter Leitung der Vorsitzenden Kardinal Reinhard Marx und Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm endet.

Neue Erfahrungen 

Wie Generationen von Heiliglandpilgern haben auch die Bischöfe und Bischöfinnen, die Präsides und Oberkirchenräte aus Deutschland in dieser Woche die Orte besucht, wo Jesus gemäß der Überlieferung geboren wurde, wo er lehrte und litt, starb und auferstand. Sie schipperten auf dem See Genezareth und verharrten lange im Garten Gethsemane. Sie besuchten die Geburtskirche in Bethlehem und die Westmauer des Jerusalemer Tempels. Sie wanderten durch steinige Landschaften und sprachen über wichtige Bibelstellen. Sie aßen und tranken miteinander, beteten und sangen, feierten Gottesdienste.

Die Teilnehmer berichten, dass sie neue Erfahrungen der Nähe gemacht haben: Menschlich-kollegial, aber auch theologisch. Immer wieder sprechen sie darüber, wo es weitere Annäherungen geben könne. In ihren Gesprächen ist kaum noch die Rede von zwei unterschiedlichen "Bekenntnissen". Stattdessen spricht man von "unseren verschiedenen Prägungen". Die 2013 von Erzbischof Robert Zollitsch vorgeschlagene Pilgerreise bewirkt offenbar das, wofür sie gedacht war: Das Gemeinsame wird gesucht, über die Unterschiede ohne Polemik diskutiert.

Grenzen werden sichtbar 

Doch trotz aller Nähe treten gerade bei den Gottesdiensten im Heiligen Land die noch immer nicht überwundenen Grenzen unübersehbar zu Tage: Feiert einer der katholischen Bischöfe die Eucharistie, dann bleiben die evangelischen Ratsmitglieder beim Empfang von Leib und Blut Christi außen vor. Und umgekehrt versammeln sich beim evangelisch zelebrierten Abendmahl im entscheidenden Moment nur die Protestanten um den Altar, um das Brot zu essen und den Wein zu trinken. Da mag das ökumenische Liedgut noch so kraftvoll erklingen - die fehlende Gemeinschaft "am Tisch des Herrn" wird gerade dort besonders schmerzhaft empfunden, wo Jesus selbst gewirkt und gelehrt hat. Und wo die eine Kirche entstand, die nun in viele Riten, Theologien und Hierarchien aufgespalten ist.

Bei der Pilgerfahrt der Bischöfe im Heiligen Land ist aus dieser Erfahrung des Getrenntseins und der tief empfundenen menschlichen Nähe eine eigenartige Spannung entstanden, die das Potenzial zu neuen Aufbrüchen in sich birgt. Damit wird das fortgesetzt, was schon die gemeinsame Erklärung von Deutscher Bischofskonferenz und EKD vom 16. September erahnen ließ. In ihr geht es um die Heilung der Wunden, die Kirchenspaltung und Konfessionskriege in den vergangenen fünf Jahrhunderten geschlagen haben. Das Papier schlägt landesweit gemeinsame Gottesdienste vor, in denen die Katholiken Gott für die Impulse der Reformation danken - und die Protestanten für das Glaubenszeugnis der katholischen Kirche. So etwas wäre in vielen anderen Ländern bis heute kaum vorstellbar.

Vorreiter der Ökumene 

Nach der gemeinsamen Pilgerreise ins Heilige Land sehen sich die Deutsche Bischofskonferenz und die EKD mehr denn je als weltweite Vorreiter in der Ökumene - während ringsherum, so die sorgenvolle Analyse von Kardinal Marx in Jerusalem, die Tendenzen zur Abgrenzung zwischen den Religionen und Konfessionen bedauerlicherweise wieder zunähmen.


Quelle:
KNA