Evangelisches Leben in Jerusalem

Die Freude an der Unterschiedlichkeit

Mitten im religiös bunten Jerusalem ist sie eine kleine evangelische Oase: Die Erlöserkirche. Propst Wolfgang Schmidt spricht im domradio.de-Interview über Diaspora, Vielfalt und Politik.

Autor/in:
Das Interview führte Renardo Schlegelmilch
Gebet in der Jerusalemer Erlöserkirche / © Corinna Kern (dpa)
Gebet in der Jerusalemer Erlöserkirche / © Corinna Kern ( dpa )

domradio.de: Wie fühlen Sie sich als evangelische Gemeinde in diesem ökumenischen Wirrwar, das Jerusalem ist?

Wolfgang Schmidt (Propst Erlöserkirche Jerusalem): Zunächst einmal ist es ein Privileg und etwas ganz Besonderes, in Jerusalem leben zu können und Gemeinde zu gestalten, an diesem Ort, der unmittelbar mit der Geschichte unseres Glaubens verknüpft ist. ich denke, als evangelische gemeinde komplettieren wir das Profil des christliche Panoramas. Die östlich östlich-orthodoxen und die orientalischen Kirchen sind sehr lange schon hier, die Franziskaner sind sehr lange schon hier, wir sind als Evangelen 1841 gemeinsam mit den Anglikanern gekommen. Manchmal, denke ich: Es ist schön, sich in der ganzen Unterschiedlichkeit zu erleben und sich darin in der jeweiligen Eigenart zu ergänzen. Wir haben gerade eine Ausstellung zum Reformationsgedenken, wo wir das gesamte Panorama der Jerusalemer Konfessionen und Kirchen fotografisch darstellen. Da gibt es ein Foto, auf dem eine Prozession von Geistlichen aus der Kirche herausgeht und das sind zu 80 Prozent Frauen. Das kann nur in einer evangelischen Kirche sein und ich finde, das Bild würde hier ansonsten fehlen.

domradio.de: Wie reagieren die anderen Konfessionen auf Sie als evangelische Gemeinde?

Schmidt: Ich fühle mich sehr gut aufgenommen von den anderen Konfessionen, insbesondere auch über die Verankerung in der lokalen Gesellschaft: Durch die palästinensisch-lutherische Kirche sind wir nicht nur Ausländer hier, sondern auch verbunden mit den Kirchen und der christlichen Tradition des Landes.

domradio.de: Trägt sich denn auch der politische Konflikt in die Gemeinden hinein?

Schmidt: Der politische Konflikt ist immer präsent, zumal wir eine gemeinde sind, die Mitglieder in Israel, Palästina und Jordanien hat. Je nachdem, von welchem Narrativ jemand geprägt ist, steht er natürlich mehr auf der einen oder auf der anderen Seite, das ist nicht immer ganz einfach, zusammen zu bringen.

domradio.de: Wie gehen Sie damit um?

Schmidt: Ich persönlich versuche, mich da auch ein Stück zurück zu halten in politischen Äußerungen. Insbesondere im gottesdienstlichen Leben: die Gottesdienste und das geistliche Leben muss so gestaltet sein, dass es für jeden Raum bietet. Außerhalb dessen, etwa in der Presse, äußert man sich ganz offen, wie man die Sache sieht.


Quelle:
DR