Über Wochen tagelang auf Seite eins landete Köhler nur kurz vor seinem Rücktritt am 31. Mai 2010. Vorangegangen war ein Interview, das er auf dem Rückflug aus Afghanistan gegeben hatte, wo er Truppen der Bundeswehr besucht hatte. Darin formulierte er missverständlich, dass die Bevölkerung auf dem Wege sei zu verstehen, dass "ein Land unserer Größe mit dieser Außenhandelsorientierung und damit auch Außenhandelsabhängigkeit auch wissen muss, dass im Zweifel, im Notfall auch militärischer Einsatz notwendig ist, um unsere Interessen zu wahren, zum Beispiel freie Handelswege".
"Ungeheuerliche" Vorwürfe
Der Afghanistan-Einsatz als handelspolitische Notwendigkeit und damit vom Grundgesetz nicht gedeckt? Die Empörung war über Parteigrenzen hinweg groß. Zufrieden war nur der damalige Linken-Fraktionschef Gregor Gysi, der schon immer davon ausgegangen war, dass Wirtschaftsinteressen das wahre Motiv seien.
Es half wenig, dass Köhler später erklärte, die Äußerung beziehe sich auf ein Bundeswehr-Engagement gegen Piraterie. Der damals überaus beliebte Präsident zeigte sich über das Ausmaß der Reaktionen verletzt - und ging. Die Kritik entbehre jeder Rechtfertigung und lasse "den notwendigen Respekt für mein Amt vermissen". Auch ein Jahr später noch nannte er die Vorwürfe "ungeheuerlich".
Engagement für Afrika
Doch Köhler ist weit mehr als ein verunglücktes Interview. Der studierte Volks- und Wirtschaftswissenschaftler, der nach einer Beamtenlaufbahn zunächst Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes und im Jahr 2000 Direktor des Internationalen Währungsfonds (IWF) in Washington wird, hat entgegen jedem Klischee über Banker ein weites Herz: vor allem für Afrika, für nachhaltiges Wirtschaften und für soziale Projekte.
Es ist eine Art persönliches Grundgesetz, das der neunte Bundespräsident auf seiner privaten Homepage formuliert: "Deutschland wird es auf Dauer nur dann gut gehen, wenn es der Welt gut geht - sowohl dem Planeten als auch den Menschen, die auf ihm leben."
Schnelle Karriere in der Politik
Köhlers Eltern stammen aus Bessarabien, einer Region deutscher Auswanderer am Schwarzen Meer, die heute zu Moldawien und Rumänien gehört. 1943, zu der Zeit lebt die Familie bereits im polnischen Skierbieszow, wird Köhler als siebtes von acht Kindern geboren. Vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs fliehen die Eltern in die Nähe Leipzigs und 1953 in die Bundesrepublik, wo sie in Ludwigsburg heimisch werden. Bis heute betrachtet Köhler die Barockstadt als seine Heimat - als Aussiedler hat er sich nach eigenem Bekunden nie gefühlt.
Der Tübinger Student, der 1981 in die CDU eintritt, macht schnell Karriere: Referent am Tübinger Institut für Wirtschaftsforschung, ein Job im Bundeswirtschaftsministerium, dann in die Kieler Staatskanzlei und zurück zur Bundesregierung, wo er im Bundesfinanzministerium Staatssekretär wird. Sowohl beim Maastricht-Vertrag der EU als auch bei der Wiedervereinigung verhandelt Köhler an vorderster Front - allerdings immer mehr einer Fachwelt als der breiten Öffentlichkeit bekannt.
Berufung zum UN-Sondergesanten für Westsahara
Nach dem Rücktritt als Bundespräsident wird es wieder ruhiger. Weil aber Köhlers Reputation im Ausland schon immer wesentlich höher als im Inland ist, heißt das nicht, dass der Ex-Bundespräsident nicht gefragt ist. Im Gegenteil. 2012 berief ihn der damalige UN-Generalsekretär Ban Ki Moon in ein Gremium zur Entwicklung globaler Entwicklungsziele, Nachfolger Antonio Guterres ernannte Köhler im August zum UN-Sondergesandten für die Westsahara. Ruhestand sieht anders aus. Zumal Köhler auch von seinen Nachfolgern gebeten wird, Deutschland international zu repräsentieren - vor allem in Afrika.
Zu den wenig bekannten Seiten des Vaters von zwei Kindern und vier Enkelkindern, der mit Ehefrau Eva Luise in Berlin und im Chiemgau wohnt, gehört auch das Engagement für christliche Interessen: So gehört der vielfach geehrte Köhler dem Kuratorium der Hermann Kunst-Stiftung zur Förderung der neutestamentlichen Textforschung an und ist im Kuratorium der vom katholischen Theologen Hans Küng ins Leben gerufenen Stiftung Weltethos.