Ex-Taizé-Bruder ordnet Wechsel an der Spitze ein

"Jemand, der grundsolide ist"

Frère Alois wird zum Jahresende von Frère Matthew an der Spitze der Gemeinschaft von Taizé abgelöst. Ein ehemaliger Bruder aus Taizé erklärt, warum ihn das zugleich überrascht und nicht überrascht und was es für Taizé bedeutet.

Gesangsheft auf Meditationsbank in der Versöhnungskirche in Taize / © Katharina Gebauer (KNA)
Gesangsheft auf Meditationsbank in der Versöhnungskirche in Taize / © Katharina Gebauer ( KNA )

DOMRADIO.DE: Frère Alois ist 69 Jahre alt. Ist das ein Rückzug aus Altersgründen? Konnte man das erwarten oder hat dieser Wechsel an der Spitze Sie jetzt auch überrascht?

Klaus Hamburger (von 1975 bis 2011 als "Frère Wolfgang" Mitglied der Gemeinschaft von Taizé): Es ist einerseits überraschend. Man konnte jetzt nicht ahnen, dass sich das vorbereitet. Andererseits waren die letzten Jahre schon sehr anstrengend. Selbst wenn man da nicht vor Ort ist, wenn man sich da ein bisschen einfühlt, diese Zeiten mit Corona, mit der Pandemie, da waren die Gesetze sehr streng in Frankreich, und man musste praktisch den Winter über dann auf engem Raum zusammenleben als Gemeinschaft.

Es war ja auch so, dass die Treffen gar nicht mehr stattfinden konnten, was dann sicher auch wirtschaftliche Fragen aufwirft, denn der Verkauf dort lebt ja davon, dass Leute kommen. Das sind sicher Zeiten gewesen, wo man sich, wenn man das mitverfolgt hat, Sorgen machen konnte und auch nachdenken konnte. Von daher ist das für mich auch wieder nicht so überraschend.

Klaus Hamburger / © Georg Schraml (privat)
Klaus Hamburger / © Georg Schraml ( privat )

DOMRADIO.DE: Auch wenn Frère Alois sein Amt erst Ende des Jahres aufgibt: Wenn wir jetzt schon mal einen kurzen Rückblick versuchen, wie haben Sie denn seine Amtszeit erlebt?

Hamburger: Ich würde sagen, dass er gut durchgetragen hat, was Frère Roger hinterlassen hat. Frère Roger hat ihn ja auch schon lange vorher als seinen Nachfolger ausgesucht. Ich meine, ich bin nicht jemand, der das zu bewerten hat, aber er hat mit großer Mühe versucht, das, was vorher dort begonnen hat, durch die Jahre zu begleiten. Das ist schon auch ein Verdienst, wenn man sieht, wie international die Gemeinschaft angelegt ist.

DOMRADIO.DE: Sie kennen den neuen Frère Matthew, der mit Beginn des neuen Kirchenjahres sein Amt antritt, noch aus Ihrer eigenen Zeit in Taizé. Was ist das für ein Mensch, wie haben Sie den erlebt?

Hamburger: Frère Matthew ist 1965 geboren. Er ist dann wohl mit 20 oder 21 Jahren in die Communauté eingetreten. Das ist aus meiner Sicht jemand, der, so wie ich ihn auch immer erlebe, grundsolide ist. Er hat sehr viel im Haus ermöglicht. Er hat auch die jungen Brüder begleitet. Der kennt sich sehr praktisch aus mit allem, was für die Communauté nötig ist. Es ist eher jemand, der aus meiner Sicht sehr ruhig ist.

Auch diese Offenheit von Taizé – das heißt, dass er jetzt nicht als Anglikaner auftritt mit irgendeinem konfessionellen Patriotismus oder als Engländer – da traue ich ihm absolut zu, dass er das in der Breite weiterführen kann. Ob er da große, neue Wegmarken setzen kann, da kann man sich auch fragen: Ist das überhaupt nötig? Ist es nicht heutzutage vielleicht besser, wenn man keine waghalsigen Dinge unternimmt? Und vielleicht spielt jetzt das vordergründig Charismatische auch nicht so eine Rolle wie früher. Das sind ja alles Dinge, die man sich insgesamt in der Kirche fragen kann: Wo geht es denn da überhaupt hin? Ich glaube, dass er dieses Schiff da jetzt schon eher bedächtig und solide durchtragen kann.

Frère Matthew und Frère Alois (Taizé)
Frère Matthew und Frère Alois / ( Taizé )

DOMRADIO.DE: Es gab schwere Zeiten für die Communauté. Corona hat es auch ruhiger werden lassen in der letzten Zeit rund um die Gemeinschaft der Brüder in Taizé. Was denken Sie denn, was wird denn in Zeiten einer Welt im Krisenmodus – Stichwort Klimakrise, Kirchenkrise – die wichtigste Aufgabe von Frère Matthew sein?

Hamburger: Es ist halt ein großer Vorteil, wenn sich überall, auch in verfeindeten Ländern, jetzt wie zum Beispiel Russland und der Ukraine, die Jugendlichen kennen. Aus der Ukraine sind sehr viele Jugendliche immer nach Taizé gefahren und aus Russland waren natürlich auch immer Jugendliche da. Da sind Bekanntschaften da, da ist etwas gewachsen. Das zu erhalten, und das kommt vielleicht jetzt in diesem Fall ja erst richtig zum Tragen, das ist der große Schatz von Taizé. Dass man immer versucht hat, an den Brennpunkten zu sein.

Damals kamen Leute als Jugendliche nach Taizé, die dann später Bischöfe wurden. Nicht gerade jetzt in Deutschland, vielleicht auch in anderen Ländern. Und dass da eben auch ein ganz tiefes Vertrauen da ist. Dieses Vertrauen, wenn das gehalten werden kann, wo die Kirche ganz menschlich ist und an den Menschen bleibt und wieder rausgeht, also alles, wofür eigentlich Papst Franziskus steht, das würde ich jetzt von mir her Taizé wünschen, dass das einfach so weitergeht. Ob da jetzt viele oder weniger Leute hinfahren als früher, ich glaube, das ist jetzt auch nicht so der Punkt.

Das Interview führte Heike Sicconi.

Taizé

Taizé ist ein Symbol der ökumenischen Bewegung. Der Ort im südlichen Burgund ist Sitz einer christlichen Gemeinschaft und wurde zum Treffpunkt für Jugendliche aus aller Welt. Der Bruderschaft gehören rund 100 Männer aus etwa 30 Ländern an, die aus der evangelischen und katholischen Kirche stammen. Von ihnen lebt etwa ein Viertel in kleinen Gemeinschaften in Asien, Afrika und Südamerika. Diese Brüder teilen ihr Leben mit Straßenkindern, Gefangenen, Sterbenden und Einsamen.

Hände beim Taizé-Gebet / © Harald Oppitz (KNA)
Hände beim Taizé-Gebet / © Harald Oppitz ( KNA )
Quelle:
DR