Sie kommen zu Pastor Günther Oborski, um sich taufen zu lassen. Sie heißen Mansour, Malik oder Yasemen. Den Iran, ihr Heimatland, ließen sie hinter sich, weil sie ein neues Leben wollten. Jetzt leben sie in Deutschland. Neue Sprache, neuer Glaube. Deutsch statt Persisch, Jesus statt Mohammed.
Trend unter Iranern und Afghanen
"Es gibt unter Iranern einen Trend, sich taufen zu lassen, der sehr viel stärker ist als noch vor 15 Jahren", bestätigt Oborski. Er betreut die "Iranerseelsorge", die bei der Evangelischen Landeskirche in Hannover angesiedelt ist. Oborski hat das Amt seit 15 Jahren inne, seitdem sind 2.000 Iraner in seinem Seelsorgebereich konvertiert, Tendenz steigend. "Auch bei den Afghanen wird das Interesse größer", sagt Oborski. Ein Phänomen, das auch in der Berliner Dreieinigkeitsgemeinde der Selbstständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche zu beobachten ist. 350 Anwärter befinden sich derzeit dort im viermonatigen Taufvorbereitungskurs.
DBK erfasst keine Tauf-Zahlen von Muslimen
Kann man daraus einen allgemeinen Trend bei muslimischen Flüchtlingen erkennen? Die Deutsche Bischofskonferenz kann dies nicht bestätigen, auch weil sie wie die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) nicht erfasst, wieviele Muslime jährlich Christen werden. Interesse und Anfragen gebe es "sicherlich", sagt eine Sprecherin der Bischofskonferenz. Allerdings sei noch nicht absehbar, wieviele sich nach dem vorgeschriebenen Jahr der Vorbereitung tatsächlich taufen ließen.
Die Zeit der Vorbereitung soll sicherstellen, dass der Christ in spe sich über die Tragweite seines Vorhabens im klaren ist. Eine Broschüre der Deutschen Bischofskonferenz informiert über mögliche Konsequenzen: Die Herkunftsfamilie wendet sich eventuell ab, oder die Ehe wird automatisch aufgelöst, weil nach islamischem Recht etwa eine Muslimin nicht mit einem Nicht-Muslim verheiratet sein darf. Auch könnten für Muslime, die zum Christentum konvertieren, "auch in Deutschland Gefahren für Leib und Leben erwachsen".
2009, als die Deutsche Bischofskonferenz die Zahlen einmalig erhob, gab es 300 Taufen von Muslimen. Eine aktuelle Umfrage des "Altöttinger Liebfrauenboten" unter den 27 katholischen Diözesen, bei der nur wenige Bistümer Zahlen vorlegten, ergab ein gemischtes Bild.
Im Bistum Fulda äußerten demnach vom Beginn dieses Jahres bis zum März 19 muslimische Flüchtlinge den Wunsch, in die katholische Kirche aufgenommen zu werden. Im Bistum Osnabrück waren es im vergangenen Jahr unter insgesamt 65 Erwachsenentaufen fünf muslimische Flüchtlinge. In den Bistümern Erfurt und Görlitz etwa gab es im selben Zeitraum keine derartigen Taufen.
Ein Glaubenswechsel steigert bei Muslimen auch die Chancen auf Asyl, weil sie im Heimatland dann verfolgt würden. Apostasie - Abfall vom islamischen Glauben - hätte zum Beispiel in Iran schwerwiegende Konsequenzen. Nicht gleich die Todesstrafe, aber zum Beispiel Enteignung oder eine Gefängnisstrafe, sagen Experten.
Anerkennung der Konversion als Schutzgrund
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) erkennt die Konversion eines Asylbewerbers als Schutzgrund an, wenn ihm deshalb im Heimatland Verfolgung droht. Dabei wird jedoch beurteilt, "ob der Glaubenswechsel des Antragstellers aus asyltaktischen Gründen oder aus echter Überzeugung" erfolgt ist, erklärt BAMF auf Anfrage. Pauschal werde ein durch Taufbescheinigung nachgewiesener Glaubenswechsel aber nicht angezweifelt.
Für Oborski sind die Gründe zur Konversion erst einmal nicht entscheidend. "Natürlich gibt es Menschen, die lassen sich taufen und tauchen danach beim Gottesdienst in der Gemeinde nie wieder auf", räumt er ein. Andererseits kennt er auch solche, die sich bereits im Iran heimlich in christlichen Hausgemeinden trafen: "Ihnen fehlte zum Christsein nur noch der Taufschein."
Iran und Afghanistan sind Länder, bei denen die Anerkennungsquote von Flüchtlingen ohnehin sehr hoch ist. "Nötig" haben von dort stammende Asylbewerber die Taufe also eigentlich nicht. Oborski verweist auch auf die Historie. "Die iranische Seele liegt dem christlichen Glauben näher als dem Islam", meint er. Schließlich sei die Hälfte der Iraner in früheren Zeiten einmal christlich gewesen. Ihre Gemeinden gehörten zu den ältesten weltweit.