Sie sind oft das erste, was Kirchenbesucher wahrnehmen: Die Glasfenster an den Wänden. Sie brechen das Licht, spielen damit und bestimmen die Atmosphäre im Kirchenraum. Manche tragen eine Botschaft und deuten eine Erzählung aus der Bibel. Andere sind einfach schön anzusehen. Aktuell werden deutschlandweit Kirchen aufgegeben, anderweitig genutzt oder abgerissen - was dann mit den Glasmalereien passiert, ist unklar.
In der Regel fühle sich niemand für die Rettung der Glaswerke verantwortlich, kritisiert die Leiterin der Europäischen Akademie für Glasmalerei, Annette Jansen-Winkeln. Glasmalereien würden oft nicht als Kunst, sondern nur als Teil der Kirchenwand angesehen - und mit dem Gebäude abgerissen. Die Forschungsstelle Glasmalerei kümmert sich um solche Glaskunstwerke und baut sie nach Möglichkeit aus aufgegebenen Kirchen aus.
Glasarbeiten im Depot
Allerdings ist das nicht einfach: Die Verflechtung von Kirchenrecht und Staatsrecht mache es im Fall einer profanierten Kirche schwierig, Entscheidungsträger ausfindig zu machen, sagt Jansen-Winkeln auf einer Fachtagung in Mönchengladbach. "Eigentlich ist es nicht unsere Aufgabe, die Fenster zu retten." Die Forschungsstelle übernehme diese Aufgabe meist deshalb, weil sich sonst niemand darum kümmere.
Rund 650 Glasarbeiten wurden bereits ausgebaut und lagern vorübergehend in einem Depot, so Jansen-Winkeln. Darunter befinden sich Werke der Künstler Anton Wendling, Paul König oder Manfred Espeter. Im Januar wurden mehrere Fenster von Ernst Jansen-Winkeln, dem Vater des Stiftungsgründers, aus dem Immerather Dom gesichert.
Weitervermittlung als Ziel
Doch welchen Sinn hat die Rettung der Fenster, wenn sie zwar erhalten bleiben, dann aber verstauben? "Das Ziel ist, die Fenster an andere Institutionen zu vermitteln", erklärt die Leiterin der Forschungsstelle. So seien etwa Glasarbeiten in die Niederlande oder in eine Kirche nach Brandenburg vermittelt worden. Eine erfolgreiche Weitervermittlung sei jedoch kein Regelfall.
Dennoch gelte es, die Werke zu dokumentieren und der Öffentlichkeit auch künftig zugänglich zu machen, betont auch der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Thomas Sternberg. Im 19. und 20. Jahrhundert habe es zahlreiche farbige Fenster in weltlichen Kontexten gegeben, etwa in Cafés oder Kaufhäusern.
Diese Glasmalereien seien aber größtenteils verschwunden - es habe schlichtweg kein Interesse mehr daran bestanden. Glaskunstwerke seien deshalb heute oft nur im sakralen Kontext zu finden.
Dabei geht es laut Sternberg im kirchlichen Kontext nicht nur um Fenster, die eine biblische Geschichte erzählen oder eine religiöse Aussage enthalten. "Manche Fenster sind einfach nur schön oder spielen mit dem Licht". Auch diese Kunstwerke seien nicht weniger wichtig. Auch diese sollten dokumentiert und erhalten werden.
Rechtliches Problem
Angesichts des Umgangs mit den überzähligen Kirchenfenstern macht der ehemalige Leiter der Kommission für Zeitgeschichte, Karl-Joseph Hummel, ein rechtliches Problem aus. "Die Frage ist, ob Glasfenster ein Kunstgegenstand sind oder als Teil der Kirchenarchitektur gesehen werden", so Hummel.
Gehörten die Fenster nur zur Kirchenarchitektur, könnten sie mit dem Gebäude abgerissen werden. Als Kunstgegenstand seien sie aber wie die Innenausstattung der Kirche, etwa ein Altar oder Bänke, zu behandeln - und entsprechend zu schützen. Zudem seien die Fenster oft von Privatpersonen gestiftet worden und unklar, ob etwa die Stifter ein Mitspracherecht hätten.
Strittig ist auch der Status von Glasmalerei als Kulturgut. "Glasfenster machen die Kommunikation zwischen Gott und den Menschen sinnlich erfahrbar", betont der Kunstreferent der Deutschen Bischofskonferenz, Jakob Johannes Koch. Dennoch seien sie nicht so wichtig wie liturgische Elemente. Aufgrund ihres ungeklärten Status als Kulturgut würden die Fenster deshalb oft stiefmütterlich behandelt.