Familiäre Gründe - Kirche: "Mitstreiter der katholischen Soziallehre"

Müntefering tritt zurück

Franz Müntefering ist als Bundesminister für Arbeit und Soziales und als Vizekanzler zurückgetreten. Rein familiäre Gründe hätten ihn zu dieser Entscheidung geführt, betonte Müntefering, dessen Gattin schwerkrank ist.
Nach einer überraschenden fünften Krebsoperation stehe ihr nun eine lange Rehabilitationsphase bevor. Dabei will Franz Müntefering seiner Frau zur Seite stehen. "Und beide Aufgaben lassen sich nicht vereinbaren", ist er sicher. Die katholische Kirche bedauert und respektiert Münteferings Entscheidung.

 (DR)

Mit Blick auf die aktuelle politische Auseinandersetzung bat Müntefering, seine Entscheidung nicht anders zu interpretieren. In besonderen Phasen des Lebens müsse es neben der Politik auch andere Prioritäten geben dürfen: "Diese Entscheidung ist keine, die einem leicht fällt, aber ich bin überzeugt sie ist richtig."
Kein Rückzug aus der Politik
Müntefering betonte, sein Rücktritt sei kein Abschied. Er bleibe nach zwei Jahrzehnten in bundespolitischen Führungspositionen Mitglied des Bundestages. Er gab seiner Hoffnung Ausdruck, sich nach der Genesung seiner Frau im kommenden Jahr in dieser Tätigkeit wieder intensiver einbringen zu können.
1975 war Franz Müntefering erstmals in den Bundestag gewählt worden. Rückblickend auf seine Jahre als Minister in zwei Bundesregierungen erklärte der 67-jährige Vizekanzler: "Ich bin ganz zufrieden". Müntefering begrüßte, dass Olaf Scholz neuer Bundesminister für Arbeit und Soziales werden soll. "Ich bin ganz sicher, dass er die Aufgabe gut erfüllen wird", zeigte er sich zuversichtlich. Vizekanzler soll Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier werden.
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Katholiken: Respekt für Entscheidung
Die katholische Kirche hat das Ausscheiden von Arbeitsminister Franz Müntefering (SPD) aus der Bundesregierung bedauert und ihn als Mitstreiter der Katholischen Soziallehre gewürdigt. Zugleich zeigte der Leiter des Katholischen Büros bei der Bundesregierung, Prälat Karl Jüsten, Respekt dafür, dass der Vizekanzler in der derzeitigen familiären Situation politische Aspekte hintanstelle.

Der 67-jährige Sauerländer sei als Sohn eines engagierten Mitglieds der Katholischen Arbeitnehmer-Bewegung (KAB) in der Katholischen Soziallehre beheimatet. Mit seinem Eintreten für eine gerechtere Gestaltung des Arbeitsmarktes und der sozialen Ordnung leugne er seine Verwurzelung in grundlegenden kirchlichen Sozialprinzipien nie, betonte Jüsten.

Müntefering habe immer auch eine "Globalisierung der Solidarität" im Blick. Als Arbeitsminister habe er stets die Besonderheiten des kirchlichen Dienst- und Arbeitsrechts respektiert. Es sei zu hoffen, dass die Sozialdemokraten bei diesen Themen Kontinuität zeigten und zur sozialen Ausgestaltung der Reformprozesse beitrügen.

Bischof Marx zollt Respekt
Die Deutsche Bischofskonferenz äußerte großen Respekt und Bedauern über das Ausscheiden Münteferings aus der Regierung.
"Sein Wirken als Arbeitsminister in den letzten Jahren hat mich beeindruckt", erklärte der Vorsitzende der Kommission für gesellschaftliche Fragen der Bischofskonferenz, der Trierer Bischof Reinhard Marx. Marx unterstrich, er habe viele Initiativen und Ziele des Arbeitsministers mittragen können. Für seine Ziele trete der SPD-Politiker immer mit großem Engagement und Überzeugungskraft ein.

"Seeheimer Kreis" bedauert Rücktritt
Der Sprecher der im "Seeheimer Kreis" vereinten SPD-Rechten, Johannes Kahrs, bedauert den Rücktritt von Bundesarbeitsminister Franz Müntefering (SPD). Kahrs sagte, die Entscheidung von Müntefering sei "menschlich verständlich" und zugleich "politisch bedauerlich". Er rechne jedoch nicht damit, dass der Rücktritt Folgen für den Kurs der SPD haben werde. Die große Koalition werde seiner Einschätzung nach bis zum Ende der Legislaturperiode halten. Mit Blick auf den Streit im Koalitionsausschusses fügte er hinzu: "Ich habe sieben Jahre Rot-Grün erlebt - dagegen ist das hier ein laues Lüftchen."

"Herber Verlust"
Auch SPD-Arbeitsmarktexperte Klaus Brandner hat den Rücktritt von Müntefering  bedauert. Das Ausscheiden des Ministers und Vizekanzlers sei ein "herber Verlust". Müntefering sei über Jahrzehnte eine "tragende und prägende Säule der Sozialdemokratie" gewesen. In der Koalition werde der Rücktritt die Situation "außerordentlich belasten". Brandner forderte, die "überaus erfolgreiche" Arbeit des Ministers "mit aller Kraft" fortzusetzen. Das gelte besonders beim Stichwort Mindestlohn und dem weiteren Abbau der Arbeitslosigkeit.

Politisch konsequent
FDP-Generalsekretär Dirk Niebel hat den Rücktritt von Vizekanzler und Arbeitsminister Franz Müntefering (SPD) als politisch konsequent bezeichnet. "Bei allem Respekt vor familiären Gründen - dass dieser Rücktritt prompt nach dem Koalitions-Desaster der vergangenen Nacht erfolgt, zeigt, dass er auch politische Gründe hat", sagte Niebel am Dienstag in Berlin.