Familienexpertin rät Großeltern zur Zurückhaltung

Ein Besuch in der Großelternschule für werdende Omas und Opas

Wenn Eltern Großeltern werden, ist es meist Jahrzehnte her, dass sie selbst ein Baby versorgt haben. In der Großelternschule bereiten sich neue Omas und Opas auf die neue Rolle vor – und werden zur Zurückhaltung gemahnt.

Autor/in:
Nicola Trenz
Symbolbild Großeltern, Enkel / © dotshock (shutterstock)
Symbolbild Großeltern, Enkel / © dotshock ( shutterstock )

Eingemummelt in ein warmes Fleece-Säckchen wandert Leo durch die Reihen. Leo wiegt 2,7 Kilo und trägt eine Windel. Mit geübten Griffen wird er von Arm zu Arm gegeben, verweilt kurz in jedem Schoß. "Damit jeder wieder ein Gefühl für ein Baby bekommt", erklärt Annegret Kölsch. Sie leitet einen Kurs für werdende Großeltern. "Auffrischunterricht", sagt sie. Leo ist eine Babypuppe, mit der die sieben Teilnehmerinnen und drei Teilnehmer sich auf das Enkelkind vorbereiten. Fläschchen geben und Wickeln, Leo lässt sich brav von vielen Händen versorgen.

"Vieles ist ganz anders als früher"

Doris Fuhs und Claudia Ritz werden beide im Januar zum ersten Mal Oma. Die Freude auf den Familienzuwachs ist den werdenden Großmüttern anzusehen. "Das Baby halten, das hat man einmal gelernt, das kann man. Auch das Wickeln - das kann ich im Schlaf", sagt Fuhs. "Die Pampers sind die gleichen", ergänzt Ritz lachend.

Dennoch besuchen beide den Abendkurs der Katholischen Familienbildungsstätte im nordrhein-westfälischen Euskirchen. Sie wollen auf dem aktuellen Stand der Babypflege sein. "Meine Tochter hat viel von ihren Geburtsvorbereitungskursen erzählt, vieles ist ganz anders als früher!", sagt Fuhs. "Ich habe mich erstmal fremd gefühlt, als hätte ich nie selbst ein Kind großgezogen."

Großeltern häufig Unterstützung bei der Kinderbetreuung

Beide Frauen sind als Unterstützung bei der Kinderbetreuung eingeplant. Damit werden sie in guter Gesellschaft sein, denn rund die Hälfte aller Kinder unter sechs Jahren in Deutschland wird einer Studie zufolge auch von den Großeltern versorgt. Wenn die familiäre Arbeitsteilung gut klappt, profitieren davon alle drei Generationen.

Konflikten vorbeugen durch gegenseitiges Verständnis - darin sieht Kursleiterin Annegret Kölsch ein Ziel ihrer Großelternschule. "Ich mache den Kurs nicht nur, um praktisches Wissen aufzufrischen, sondern auch, damit die Großeltern wissen, warum manche Dinge anders sind, damit Sätze wie 'wir haben das früher aber anders gemacht', nicht fallen".

In der Runde erzählt sie, wie es heutzutage im Krankenhaus nach einer Geburt abläuft. Erstaunte Gesichter bei den Teilnehmenden, dass den Babys nur eine Windel angezogen wird. Sie liegen für engen Körperkontakt möglichst viel nackt auf der Haut der Eltern. "Ist denen das nicht zu kalt?", hakt eine Teilnehmerin skeptisch nach. Annegret Kölsch verneint. Die Kursleiterin ist Kinderkrankenschwester und selbst dreifache Oma.

Die jungen Eltern als Chef

Sie rät den frisch gebackenen und angehenden Großeltern, keine ungefragten Ratschläge zu erteilen und sich zurückzunehmen - und erzählt Negativbeispiele: "Wenn die Großeltern eigenmächtig den Kindern die Haare schneiden, mit ihnen Wegfahren oder irgendwelche Sachen kaufen, die die Eltern auf gar keinen Fall haben möchten, dann ist das vielleicht zwar gut gemeint, aber es ist auch übergriffig." Geschenke, Süßigkeiten, Fernsehen, sowas sollte abgesprochen werden. In Erziehungsfragen einmischen sollte man sich erst, wenn Schaden für das Kind droht. Ansonsten seien die jungen Eltern der Chef.

Auch in den ersten Tagen nach der Geburt gilt das, sagt Kölsch. "Erscheinen Sie nicht unangekündigt zu Besuch, sondern kommen Sie immer erst nach Absprache", rät sie, "auch wenn das vielleicht bedeutet, dass sie ihr Enkelkind erst ein paar Tage später kennen lernen".

Kommunikation ist der Schlüssel

Statt hoher Erwartungen ist praktische Hilfe gefragt: Einkaufen gehen, Wohnung sauber machen - aber, warnt Kölsch, "fragen Sie vorher sanft, wie Sie helfen können". Hormonell bedingt sei gerade die junge Mutter kurz nach der Geburt sehr sensibel. Ein gut gemeintes Loslegen mit dem Putzlappen könne von den jungen Eltern schnell so aufgefasst werden, als seien sie der neuen Situation nicht gewachsen. "Hinterfragen Sie in dieser Situation auch nicht bereits getroffene Entscheidungen, zum Beispiel ob die Mutter stillen möchte oder nicht - solche Entscheidungen auf Grundlage der Vorbereitungskurse geben in der neuen Situation halt", sagt die Fachfrau.

Bei aller Sensibilität in Bezug auf die Eltern - auch Großeltern sollten sich abgrenzen und am besten feste Enkeltage ausmachen, rät Kölsch. "Sie müssen nicht immer auf Abruf da sein", sagt die Fachfrau. Wie in allen sozialen Beziehungen gilt auch im Eltern-Großeltern-Verhältnis: Erwartungen klar kommunizieren, miteinander im Gespräch sein - das verhindert Konflikte. "Den Hinweis auf den Kurs haben wir lieb verpackt von der jungen Mutter bekommen", sagt eine Kursteilnehmerin schmunzelnd.

Kölsch freut sich über enge Beziehungen zwischen Enkeln und Großeltern: "Großeltern sind auch dazu da, dass das alte Wissen nicht verloren geht: Dass man zum Beispiel mit den Enkelkindern in die Kirche geht, was vielleicht die Eltern nicht machen. Dass man Geschichten erzählt von früher. Dass man Altes weitergeben kann."

Quelle:
KNA