Fast 90 000 Schüler demonstrierten bundesweit - BDKJ begrüßt Aktionen

Unterrichts-Boykott für bessere Bildung

Bei den größten Schülerprotesten seit den Demonstrationen gegen den Irak-Krieg 2003 haben am Mittwoch Zehntausende Schüler eine bessere Bildung gefordert. Bundesweit gingen nach einer Auflistung der Initiative "Bildungsblockaden einreißen!" rund 87 000 Schüler auf die Straße. Der Bund der Deutschen Katholischen Jugend hat die bundesweiten Streiks an Schulen begrüßt.

 (DR)

Forderungen der Schüler waren unter anderem ein freier Zugang zu Bildung und die Abschaffung des verkürzten Abiturs nach zwölf Jahren. In Berlin und Hannover eskalierten die Proteste. Etwa 1000 Demonstranten drangen nach Angaben der Polizei in die Humboldt-Universität zu Berlin ein und hielten das Gebäude für rund 20 Minuten besetzt. Zudem besetzten Demonstrationsteilnehmer nach Berichten von Augenzeugen eine Straße und blockierten den Verkehr. In Hannover durchbrachen Schüler die Bannmeile, die vor dem Landtag für Demonstrationen gilt, und wurden von der Polizei zurückgehalten. Es kam zu Festnahmen unter den 3500 Beteiligten der Demonstration.

Neben Berlin mit 10 000 Teilnehmern gab es in Hamburg die größten Proteste. Dort beteiligten sich über 6000 Schüler an den Protesten. Die Teilnehmer beklagten «mickrige Finanzaussagen» seitens der Politik und «Versprechen, deren Einhaltung ungewiss ist». «Es ist offensichtlich, dass wir unsere Probleme selbst in die Hand nehmen müssen, wenn sich etwas ändern soll», sagte Niklas Wuchenauer, Ratsmitglied der Landesschülervertretung in Berlin.

In der Stuttgarter Innenstadt versammelten sich rund 5000 Schüler. Die Teilnehmer sprachen sich unter anderem gegen den Prüfungsstress durch das verkürzte Abitur G8 aus. Immer mehr Schüler litten an Schlafstörungen und Depressionen, hieß es vonseiten der Streikorganisatoren. Den Schülern gehe es nicht nur darum, ein Zeichen zu setzen, sondern konkret etwas zu ändern, sagte Florian Toniutti vom Schüleraktionskomitee in Stuttgart. Er kündigte für Baden-Württemberg weitere Streiks in den kommenden Wochen an.

Jeweils Tausende Jugendliche kamen landesweit auch in größeren Städten Niedersachsens (20 000), Hessens (6000) und Nordrhein-Westfalens zusammen. Sie demonstrierten unter anderem für die Einrichtung von Gemeinschaftsschulen. Auch in Kiel streikten gut 4000 Schüler. In München versammelten sich rund 500 Schüler bei einer Kundgebung.

An vielen Orten nahmen Lehrer, Elternvertreter und Studenten an den Demonstrationen teil. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) begrüßte die Streiks. Schüler bräuchten ebenso wie Lehrkräfte gute Schulen und gute Lernbedingungen. «Die Forderungen der Schüler decken sich mit vielen Vorschlägen zur qualitativen Verbesserung des Schulwesens, die die GEW gemacht hat», sagte die GEW-Vizechefin Marianne Demmer. Sie appellierte an die Schulleiter, streikende Schüler nicht zu hart zu bestrafen und mit «Augenmaß» zu reagieren.

Nach Angaben von Schulministerien und Schulsenatoren gelten die bestreikten Schulstunden als unentschuldigtes Fehlen im Unterricht. An Schulen in München war den Teilnehmern des Streiks teilweise mit Verweisen gedroht worden. Auch das bayerische Kultusministerium warnte, es werde den Streik während der Schulzeit nicht akzeptieren.

Ein Sprecher der Berliner Senatsverwaltung sagte: «Schülern steht kein Streikrecht zu. Bei einem 'Schülerstreik' handelt es sich um ein unentschuldigtes Fehlen, das von der Schule entsprechend den geltenden Vorschriften unter Berücksichtigung der Verhältnismäßigkeit geahndet wird.»

Katholische Jugendverbände begrüßen Schülerproteste
Der Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) hat die bundesweiten Streiks an Schulen begrüßt. In die Bildungspolitik sollten sich Jugendliche lautstark einmischen, sagte die Bundesvorsitzende Andrea Hoffmeier am Mittwoch in Berlin. Sie beklagte, die Politik gehe eklatante Mängel in der Ausbildung von Lehrern und in der Ausstattung von Schulen nicht konsequent an. Der BDKJ vertritt nach eigenen Angaben als Dachverband 15 katholische Kinder- und Jugendverbände mit rund 650.000 Mitgliedern.