In den vergangenen Jahren musste Bündnis 90/Die Grünen bei ostdeutschen Landtagswahlen oft um den Einzug ins Parlament zittern. Die Ökopartei fasste lange nicht recht Fuß im Osten, wiewohl "Bündnis 90" aus der DDR-Bürgerrechtsbewegung hervorging.
Auch der Zusammenschluss mit den Grünen aus dem Westen verlief nicht reibungslos. Auf den sperrigen Doppelnamen, den Ost- und Westgrüne seit ihrer Eheschließung 1993 tragen, wird im Osten noch immer deutlich mehr Wert gelegt.
Verhältnis zwischen Grünen und Kirchen
Bei den Landtagswahlen in Brandenburg und Sachsen am Sonntag werden die Grünen den Prognosen nach stark zulegen. Laut jüngsten Umfragen liegen sie in Sachsen bei gut 11 Prozent, in Brandenburg aktuell bei 14,4 Prozent - wobei sie in den vergangenen Wochen auch schon auf 17 Prozent kamen, gleichauf mit SPD und CDU. Kurzum: Vieles spricht derzeit rechnerisch dafür, dass die Bündnisgrünen in beide Landesregierungen eintreten werden; in Sachsen erstmals.
Damit stellt sich auch die Frage nach dem Verhältnis zwischen Grünen und Kirchen noch einmal neu. Auf Bundesebene war es lange schwierig.
Grüne seien für Katholiken nicht wählbar, erklärte Kardinal Joseph Höffner, damals Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz, in aller Deutlichkeit 1986 auf dem Katholikentag. Zu den katholischen Großevents wurden Grünen-Politiker bis 1990 nicht eingeladen.
Neuralgische Punkte sind seit jeher die sexuelle Selbstbestimmung und das Recht auf Abtreibung, wofür die Grünen klar einstehen. Doch die inhaltlichen Schnittmengen sind inzwischen beachtlich: bei Klima- und Umweltschutz, alias Bewahrung der Schöpfung, Kapitalismuskritik und Sozialpolitik sowie in der Asylpolitik und dem Umgang mit Flüchtlingen.
Blick nach Brandenburg
Im Brandenburger Wahlkampf sind es die Bündnisgrünen, die sich in ihrem Programm am profiliertesten zum Thema Religion und Kirche äußern. Sie bekunden ihre Wertschätzung dafür, "wenn sich Religionsgemeinschaften mit wertegebundenen Positionen aktiv an der Meinungsbildung zur Stärkung unseres demokratischen Gemeinwesens beteiligen". Auch sei die Geschichte Brandenburgs "eng mit dem emanzipatorischen Wirken der Kirchen verbunden". Bemerkenswert in einem Land mit 80 Prozent konfessionsloser Bevölkerung.
Kritisch sieht die Partei das eigenständige Arbeitsrecht der Kirche und kündigt Beschränkungen der Ausnahmeregelungen an. Zudem wollen sie in staatliche Zuwendungen an Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften "mehr Transparenz bringen".
Ausdrücklich befürworten sie den "Brandenburger Weg" des Schulfachs "Lebensgestaltung-Ethik-Religionskunde" (LER) und eines zusätzlichen, freiwilligen Religions- oder Weltanschauungsunterrichts der Kirchen oder des Humanistischen Verbandes.
Als "sehr gut" bezeichnet der landespolitische Beauftragte der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, Martin Vogel, das Verhältnis zu den Bündnisgrünen im Land. Bei den Themenfeldern Nachhaltigkeit, Klimaschutz, Strukturwandel und ländlicher Raum etwa gebe es viele gemeinsame Anknüpfungspunkte.
"Natürlich gibt es auch Differenzen mit Teilen der Partei, etwa beim Tanzverbot am Karfreitag. Insgesamt beobachte ich aber, dass die Grünen in der vergangenen Legislaturperiode einiges dafür getan haben, offener Ansprechpartner für die Anliegen der Kirchen zu sein", so Vogel.
Blick nach Sachsen
Ähnlich sieht es der Leiter des Katholischen Büros Sachsen, Daniel Frank: "Wir hatten in den vergangenen Jahren keine Schwierigkeiten miteinander und es gibt kaum kritische Punkte zwischen uns. Ich erlebe die sächsischen Grünen nicht als ideologisch, sondern immer an konstruktiven Lösungen interessiert."
Die religionspolitische Sprecherin der Bündnisgrünen im Landtag, Franziska Schubert, lobt vor allem den "Dialog auf Augenhöhe" mit den Kirchen. "Klar, beim Familienbild driften wir natürlich teils stark auseinander. Aber im Großen und Ganzen ist das Verhältnis gut." Was vielleicht auch daran liege, dass die Hälfte der acht Abgeordneten einen christlichen Hintergrund habe. "Natürlich gibt's bei uns auch Diskussionen über die Trennung von Kirche und Staat, aber da sind wir wesentlich entspannter als die Linke."