DOMRADIO.DE: Was hat Teresa von Ávila uns heute noch zu sagen?
Prof. Saskia Wendel (Institut für Katholische Theologie, Uni Köln): Sie hat uns, denke ich, auf zwei Gebieten etwas zu sagen. Zum einen ist Teresa von Avila die erste Frau, die zur Kirchenlehrerin der römisch katholischen Kirche ernannt worden ist und eine für ihre Zeit sehr einflussreiche Frau gewesen ist. Also sie hat erst einmal den Frauen in der Kirche etwas zu sagen: als ein großes Vorbild und durch das, was sie versucht hat in der Kirche zu bewegen. Ich denke das ist der eine Punkt. Und der andere Punkt ist natürlich ihre mystische Theologie, die durchaus auch noch für heute hoch aktuell ist. Sozusagen der Weg nach innen, Gott finden und suchen im eigenen Inneren. Das ist, wie ich finde, ein hoch aktuelles, modernes Konzept von Theologie.
DOMRADIO.DE: Was hat Teresa zum Thema Frauen in der Kirche zu sagen?
Wendel: Es ging darum, dass sie mit Johannes vom Kreuz zusammen den Karmel reformiert hat. Das war ja ein nicht ganz einfaches Unterfangen, aber es zeugt natürlich von einer enormen Fähigkeit, die sie an den Tag gelegt hat: Dieses Projekt Karmel anzugehen, auch gegen große Widerstände. Und sie hat damit auch ein Beispiel gegeben für die Stärke und Fähigkeit auch von Frauen in der Kirche. Es gibt ja diesen berühmten, von ihr überlieferten Spruch: "Ich bin ein Weib und obendrein kein gutes", mit einem leicht ironischem Unterton. Daran können wir wirklich sehen, mit Teresa von Ávila haben Frauen jemanden in der Kirche, an dem sie sich orientieren und halten können. Das ist auch ein gutes Beispiel für die Fähigkeit, die man ja manchmal braucht als Frau in der Kirche.
DOMRADIO.DE: Ein Schlüsselwort, um ihr Wesen ein bisschen aufzuschlüsseln, ist Freundschaft. Können Sie das auch unterschreiben, dass Freundschaft ein ganz besonderes Motiv bei ihr war?
Wendel: Das ist in der Tat so. Freundschaft zum einen und Freundschaft zum anderen. Aber vor allen Dingen das große Motiv der Freundschaft mit Gott. Und diese Freundschaft mit Gott, die durchbuchstabiert wird auf dem Weg der mystischen Theologie. Dass Gott eben derjenige ist, der nicht irgendwie über allen Himmeln thront, der ganz weit Entfernte - sondern derjenige, der sich ganz mir zugewandt hat. Das ist die von ihr bezeichnete "innere Burg" im Herzen der Seele, in der das mystische Grundmotiv wohnt. Das ist sozusagen die Wurzel eigentlich dieser Gottesbeziehung, der Freundschaft mit Gott.
DOMRADIO.DE: Ein berühmtes Zitat von ihr ist "Wenn Fasten, dann Fasten, wenn Rebhuhn, dann Rebhuhn". Das ist sehr einfach, das versteht jeder. Und doch steckt eine ganze Menge dahinter?
Wendel: Das meinte ich auch so ein bisschen mit ruhiger angehen, nichts übertreiben, eher das Maß und die Mitte suchen. Das ist fast schon eine Art kölsches Grundgesetz, alles an seinem rechten Platz sein zu lassen. Wenn Fasten angesagt ist, dann lasst uns auch fasten, lasst es uns aber auch nicht übertreiben. Vor allen Dingen lasst uns auch nicht nur Fasten, denn dann ist das ein Missverständnis von Christentum. Dazu gehört eben auch der Genuss, dazu gehört eben auch das Rebhuhn. Dann darf das auch sein, aber lasst uns auch das nicht übertreiben.
DOMRADIO.DE: Damit könnte sie auch eine Art Vorbild sein. Ist sie auch mit ihrem ganzen Leben Vorbild? Es gab ja Phasen des Zweifelns, der Angst und der Zerrissenheit. Kann sie auch da heute für uns Vorbild sein?
Wendel: In jedem Fall kann sie uns da Vorbild sein, gerade weil sie deutlich macht, dass auch Heilige und Kirchenlehrerinnen nicht perfekt sind, dass niemand perfekt ist. Und gerade da ist sie Vorbild in diesem Zweifel. Der Zweifel gehört zum Glauben und auch die Ängste und die Furcht bis hin dazu, dass sie auch wieder motivieren können einen Weg zu Gott zu finden oder zu suchen. Da kann sie uns ein ganz großes Vorbild sein auch für heute.
Das Interview führte Matthias Friebe.
(Der Artikel erschien im Original am 28.03.2015)