"Hokuspokus" – diese Zauberformel von Kindern, die kennt jeder. Aber wenigen ist bekannt, dass es sich dabei um eine alte Verballhornung der lateinischen Formel für die Wandlung von Brot und Wein während der Heiligen Messe handelt: "Hoc est enim corpus meum" – "Das ist mein Leib". Mit diesen Worten wurde ein nicht nur wegen der Sprache für die Menschen unfassbares Geschehen aufs Korn genommen: Gott ist in den Gestalten von Brot und Wein für uns wirklich gegenwärtig.
In meiner Hand hier halte ich das dafür notwendige liturgische Gerät: Kelch und Patene. Sie sind kunstvoll gestaltet: goldverziert, mit feinen Ziselierungen. Auch wenn es anmaßend klingt: Am Ende ist beides nur "Geschirr".
Ihre Bedeutung erhalten beide Dinge durch die Verwendung während der Feier der Heiligen Messe. Durch die Wandlung der Gaben. Und genau hier kommt es zum Schwur: Glauben wir heute noch an die wunderbare Zusage des Herrn: "Ich bin bei Euch alle Tage", glauben wir an einen liebenden Gott, der sich uns Sonntag für Sonntag selbst schenkt?
Die Herausforderung unserer Zeit ist nicht mehr die Verballhornung der Eucharistie, sondern der Verlust ihrer inneren Bedeutung. Die Feier wird zu einer optisch vertrauten, aber innerlich fernen Szene am Altar.
Stellen wir uns doch mal kurz vor, in unserem Land wäre die Feier der Eucharistie verboten. Wer würde – unter Todesgefahr! – im Hinterzimmer des Hauses trotzdem Messe feiern? Genau das haben die ersten Christen unter Kaiser Diokletian im Jahre 304 n.Chr. getan. Ihre Begründung: "Ohne Eucharistie können wir nicht leben!" Die Eucharistie war ihre Lebensgrundlage.
Gott will auch heute uns noch stärken. Er kommt nicht zufällig im "täglich Brot" zu uns. Die Eucharistie soll uns darin stärken, unseren Alltag „Christus-förmig“ zu leben; offen auf ihn hin- und dann mit Nächstenliebe auf Mitmenschen zugehen; um ihn berührbar zu machen, Christus nachzufolgen und seine Kirche weiter aufzubauen. Bei all dem ist Gott wirklich an unserer Seite. Gott will communio, will Gemeinschaft mit uns. Diese Botschaft ist einmalig.
Das Bewusstsein für die Bedeutung der Eucharistie muss sich dringend erneuern. Eucharistie ist nicht beliebig. Sie ist nicht einfach eines der sieben Sakramente, sondern „Quelle und Höhepunkt“ kirchlichen Lebens. Anfang und Ziel aller Aktivitäten einer Gemeinde, die sich vom Altar des Herrn aussenden lässt, um sich dann auch wieder erneut um ihn zu sammeln.
Wenn wir diese Überzeugung gegenüber unseren Mitmenschen mit Freude ausstrahlen, dann können wir sicher sein: Gott ist an unserer Seite. Das ist kein „Hokuspokus“ – sondern die beste Botschaft der Welt.
Ihr
Rainer Woeki
Erzbischof von Köln
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