Ein Fauxpas der Staatsanwaltschaft hat am zweiten Tag der Beratungen im Berufungsverfahren gegen den australischen Kardinal George Pell die Schlagzeilen dominiert.
Staatsanwalt Christopher Boyce nannte am Donnerstag vor einem Gericht in Melbourne versehentlich den Namen des einzigen Belastungszeugen, der aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes hätte geheim bleiben sollen.
Aussage des Zeugen sorgte für Schuldspruch
Wegen der Aussage dieses Zeugen war Pell im Dezember von einem Geschworenengericht für schuldig befunden worden, 1996 als Erzbischof von Melbourne einen 13 Jahre alten Jungen missbraucht und einen anderen belästigt zu haben. Im März wurde der 77-Jährige deshalb zu sechs Jahren Haft verurteilt.
In seinen Ausführungen betonte der Staatsanwalt, dass er den Zeugen für glaubwürdig halte. "Er war eindeutig kein Lügner, kein Phantast", sagte Boyce. Einen Tag zuvor hatte Pells Anwalt Bret Walker den Mann als "Lügner" bezeichnet.
Pell weist Vorwürfe von sich
Pell war auch am Donnerstag persönlich im Gerichtssaal. Er weist alle Vorwürfe seit jeher zurück. Der Geistliche war unter Bewachung und in Handschellen vom Gefängnis zum Gerichtsgebäude gebracht worden.
Seinen 78. Geburtstag am Samstag wird er auf jeden Fall hinter Gittern begehen müssen.
Urteilsaufhebung oder neuer Prozess
Es kann nun Wochen, womöglich Monate bis zu einer Entscheidung im Berufungsverfahren dauern. Die Verteidigung des Kardinals begründete die Berufung mit der fehlenden Glaubwürdigkeit des Zeugen und bemängelte Verfahrensfehler.
Folgen die Berufungsrichter den Ausführungen der Anwälte, könnten sie die Verurteilung Pells aufheben und seine Entlassung aus dem Gefängnis anordnen. Möglich ist auch ein neuer Prozess.
Der ehemalige Finanzchef des Vatikan ist weltweit der ranghöchste katholische Kleriker, der von einem weltlichen Gericht wegen sexuellen Missbrauchs verurteilt wurde.