In Deutschland würden jährlich rund 100.000 Kinder abgetrieben, kritisierte Woelki am Mittwochabend in seiner Predigt zum Fest der Unschuldigen Kinder im Kölner Dom: "Als Christen wehren wir uns dagegen, dass in unserem Land diese hunderttausendfache Abtreibung als die Normalität einer liberalen, humanen und aufgeklärten Gesellschaft ausgegeben wird." Eine solche Liberalität propagiere die Freiheit auf Kosten der Schwächsten, so der Kölner Erzbischof.
Auch am Ende des Lebens stünden Menschen oftmals in einer Situation, in der ihnen Lebensqualität, Lebensrecht und Würde abgesprochen werde, sagte Woelki. Leben aber - ganz egal wie anfänglich, wie alt, wie gebrechlich und wie versehrt - sei einmalig und kostbar. Das Leben sei von Gott geschenkt, und die Menschen hätten es zu hüten. "Das Lebensrecht ist das Grundrecht eines jeden Menschen."
Menschlichkeit statt Obergrenzen
Woelki kritisierte auch den Einsatz von Kindern als Soldaten und ihre Ausbeutung als billige Arbeitskräfte etwa in Fabriken. Keine menschliche Gesellschaft könne darauf verzichten, das Lebensrecht des Menschen anzuerkennen und zu schützen. Der Kardinal forderte die Christen auf, in Gottes Namen all denjenigen entgegenzutreten, die das Leben anderer bedrohten. Das gelte ebenso für vom Bürgerkrieg und vom Terror des "Islamischen Staates" (IS) bedrohte Menschen, die hierzulande Schutz suchten. Wer hier von Obergrenzen bei der Aufnahme spreche, habe nicht verstanden, was Menschlichkeit bedeute.
Der Kardinal erinnerte auch an die Verfolgung von Christen weltweit. Sie würden um ihres Glaubens willen oft auf das Grausamste unterdrückt. Weltweit seien Christen die am meisten verfolgte Glaubensgemeinschaft. Für solcher Art Verfolgung sei allerdings in Deutschland kein Platz. "Wir wenden uns als Christen dagegen, dass das so ist", so Woelki weiter: "Wir fordern ein, dass Religionsfreiheit überall auf der Welt, auch in muslimischen Ländern, geachtet wird. Dass das gilt, was hier in unserem Land gilt, für alle, gleich welcher Religion, gleich welchen Glaubens, dass das auch in muslimischen Ländern gilt."
Das Fest der Unschuldigen Kinder begeht die Kirche jährlich am 28. Dezember. Es geht auf einen Bericht im Matthäusevangelium zurück. Magier aus dem Osten hatten König Herodes von der Geburt eines Königs berichtet. Als die Magier ihm – auf göttliche Weisung hin – keine weitere Auskunft über den Aufenthalt des Königskindes brachten, ließ Herodes aus Angst um seinen Thron den Kindermord von Betlehem anordnen, um diesen möglichen Konkurrenten auszuschalten. Für Matthäus erfüllt sich darin das Wort des Propheten Jeremia (31,15): "Ein Geschrei ist in Rama zu hören ..., Rachel weint um ihre Kinder und will sich nicht trösten lassen, denn sie sind dahin." Seit dem fünften Jahrhundert gibt es einen liturgischen Gedenktag für diese Kinder.
Erste Märtyrer
Die Kirche verehrt die Unschuldigen Kinder als die ersten Märtyrer und feiert deshalb ihr Fest in unmittelbarer Nähe zu Weihnachten. Im Anschluss an das Zweite Vatikanische Konzil wurden die liturgischen Texte zum Fest der Unschuldigen Kinder neu bearbeitet. Die Bedeutung dieses Tages hat sich in den letzten Jahren auch dahingehend geändert, dass er eine Mahnung ist zum Schutz des ungeborenen Lebens.