Festliches Pontifikalamt zur Investitur der Grabesritter

"Wir müssen uns jeden Tag neu entscheiden"

Bei ihrer Investiturfeier der Ritter vom Heiligen Grab zu Jerusalem in Köln hat der Großprior der Deutschen Statthalterei, Reinhard Kardinal Marx, 14 neue Ritter und Damen in den päpstlichen Laienorden aufgenommen.

Autor/in:
Beatrice Tomasetti
 © Beatrice Tomasetti (DR)
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Am Ende eines gut zweistündigen Gottesdienstes mit vielen feierlichen Momenten, für die nicht zuletzt der Kölner Domchor mit seiner passend ausgewählten Musik verantwortlich zeichnet, schlägt Kardinal Marx mit einem Schmunzeln dann doch noch den Bogen zu einem Ereignis, das an diesem 6. Mai einige hunderte Kilometer von der Rheinmetropole entfernt in die Geschichtsbücher eingehen wird.

Auch wenn man die Krönung von Charles III. in England nicht mit der Aufnahme in einen Orden vergleichen könne – "das will ich nicht bewerten und steht mir auch gar nicht zu, abgerechnet wird zum Schluss an anderer Stelle", sagt der Erzbischof von München und Freising bewusst launig und in Anspielung auf die für die Beteiligten jeweils außergewöhnliche Bedeutung dieses Tages – so sei dieses besondere Datum doch "ganz schön für die Geschichte des eigenen Lebens". Schließlich werde man sich schon allein wegen der Koinzidenz immer an diese Investitur erinnern, meint er in seinen Schlussworten und fordert die versammelte Gemeinde dazu auf, den zukünftigen König des Empires "mit in unser Gebet zu nehmen".

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Nicht von ungefähr drängen sich an diesem Nachmittag im Kölner Dom gewisse Parallelen zu der britischen Feier mit "Pomp and circumstance", auf. Denn schon der Einzug der über 700 geladenen Gäste mit Vertreterinnen und Vertretern aus dem In- und Ausland – die Männer in dem typisch elfenbeinfarbenen Umhang und schwarzen Samtbarett, die Frauen in schwarzen Mänteln, jeweils verziert mit dem roten Jerusalemkreuz – gerät zu einem Defilee, das bereits auf der Domplatte den neugierigen, aber auch staunenden Blick zahlreicher Schaulustiger auf sich zieht. Vielleicht, weil das Rituelle daran auch ein Stück wie aus der Zeit gefallen zu sein scheint.

Im Dominneren sind es dann die festlichen Fanfarenklänge der Blechbläser der Kölner Dommusik, die den minutenlangen Introitus begleiten. In würdiger und scheinbar nicht enden wollender Prozession folgen die einziehenden Ordensangehörigen in Zweierreihen auf diese Weise einem traditionellen Protokoll, angeführt von einem Zeremonienmeister, schreiten gemächlichen Schrittes in den leeren Dom und füllen nach und nach die Reihen des Mittelschiffs bis auf den sprichwörtlich letzten Platz.

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Wobei in den ersten beiden Bänken die 14 Kandidatinnen und Kandidaten – neun Ritter, zwei Damen, zwei Priester und ein Diakon – Platz nehmen, die von nun an der knapp 1500-köpfigen Deutschen Statthalterei des Ritterordens vom Heiligen Grab zu Jerusalem angehören werden. Dafür erhalten die Männer von Großprior Marx den Ritterschlag mit einem Schwert, das Ordenskreuz und den Mantel. Bei den Damen ist es ebenfalls das für den Orden typische Kreuz, im Gegensatz zu den Männern aber ein schwarzer Umhang und ein Spitzenschleier. Zuvor hatten alle Bewerber, flankiert von ihren Paten, ihr Bereitschaftsversprechen, "in der Kraft des Heiligen Geistes mit Herz und Mund die Aufgaben als Ritter vom Heiligen Grab zu erfüllen" abgegeben.

Stephan Hungerland, neuer Ritter vom Heiligen Grab zu Jerusalem

"In die Gemeinschaft dieses Ordens aufgenommen zu werden bedeutet gleichermaßen Verantwortung und Auszeichnung. Das ist eine lebenslange Aufgabe."

Aus dem Kölner Erzbistum ist es Stephan Hungerland, selbständiger Unternehmer, Mitglied im ältesten Traditionscorps der Roten Funken sowie im Bund Katholischer Unternehmer, der zu den Anwärtern auf die Ordensmitgliedschaft gehört und von nun an auf besondere Weise die Christen im Heiligen Land unterstützen will. "In die Gemeinschaft dieses Ordens aufgenommen zu werden bedeutet gleichermaßen Verantwortung und Auszeichnung. Das ist eine lebenslange Aufgabe", unterstreicht der 55-Jährige, der sich seit rund 40 Jahren in der katholischen Kirche engagiert. Zwölf Jahre war er im Kirchenvorstand von St. Sebastianus in Frechen-Königsdorf tätig.

 © Beatrice Tomasetti (DR)
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Als Messdiener groß geworden ist er allerdings in der Kölner Innenstadtkirche St. Andreas, der Ordenskirche der Grabesritter, wo er sich bis heute als Lektor und Kommunionhelfer engagiert. "Mir ist diese lebendige geistliche Gemeinschaft über die Grenzen des eigenen Bistums hinweg wichtig", betont Hungerland angesichts seiner Neuaufnahme. Er freue sich auf die damit verbundenen Herausforderungen, selbst wenn er das Heilige Land aus eigener Anschauung bisher noch nicht kenne, eine erste Pilgerreise dorthin aber nun im kommenden Februar anstehe.

 © Beatrice Tomasetti (DR)
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Längst ortskundig in Jerusalem und auch den anderen Wirkungsstätten Jesu im Umland ist dagegen Ines Gräfin von Kerssenbrock, die schon sieben Mal in Israel und Palästina war, zur Komturei St. Wiho in Osnabrück gehört und als Dame nun ebenfalls neu in den päpstlichen Orden, "in dem wir gegenseitig von unserem Glauben getragen werden", wie sie sagt, aufgenommen wird. Sie beeindrucke immer wieder die Begegnung mit den Menschen im Heiligen Land, die so vielerlei Unterstützung bedürften. "Sie haben kein einfaches Leben und täglich mit Problemen zu tun, wie wir sie uns auch nicht annähernd vorstellen können." Mit ihrer Ordensmitgliedschaft setzt die Adelige eine Familientradition fort. Schon ihr Vater, ihr Schwiegervater und auch ihr Mann seien Ritter vom Heiligen Grab, erzählt sie.

Jutta Gericke, neues Mitglied im Ritterorden vom Heiligen Grab

"Die christliche Nächstenliebe für die Menschen im Heiligen Land, das Engagement des Ordens bei der Errichtung von Kitas, Schulen, Krankenhäusern, Altenheimen und Hospizen oder auch für die Universität in Bethlehem haben mich bei meinen Pilgerreisen in der Vergangenheit immer tief bewegt."

Für Jutta Gericke ist der Orden mehr noch als eine Gemeinschaft eine Familie, die sich für andere in den Dienst nehmen lässt. "Deshalb freue ich mich, von nun an auch offiziell dazu zu gehören. Die christliche Nächstenliebe für die Menschen im Heiligen Land, das Engagement des Ordens bei der Errichtung von Kitas, Schulen, Krankenhäusern, Altenheimen und Hospizen oder auch für die Universität in Bethlehem haben mich bei meinen Pilgerreisen in der Vergangenheit immer tief bewegt." Dabei sei das Thema "Bildung" für sie ganz zentral, "damit die Menschen überhaupt eine Zukunft in diesem Land zu haben".

Der Ritterorden vom Heiligen Grab zu Jerusalem nimmt katholische Männer und Frauen, Laien und Kleriker auf, die sich in besonderem Maße in Kirche, Politik und Gesellschaft engagieren. Der Orden unterstützt die Christinnen und Christen im Heiligen Land – Israel, Palästina, Zypern und Jordanien – durch Gebet, Wallfahrten und die finanzielle Unterstützung zahlreicher Einrichtungen, die oftmals auch Muslimen und Juden offenstehen.

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Auch Kardinal Marx erinnert daran, dass der Orden, dem er selbst seit mehr als 30 Jahren angehört, eng verbunden sei mit der Realität des Heiligen Landes. "Wir sehen die Wunden dieser Menschen, spüren die Spannungen und Gefahren, die es in der Heimat Jesu gibt, und sind mit denen im Gebet verbunden, die dort ums Überleben kämpfen." Er fügt hinzu: Die 90-jährige Geschichte der deutschen Statthalterei verpflichte dazu, als Christen in Treue zueinander zu stehen und sich für die unerschütterliche Hoffnung stark zu machen, "dass Christus lebt".

In seiner Predigt streift der Münchener Erzbischof auch die aktuellen Missstände in der katholischen Kirche. "Wir wollen sie ehrlich und kritisch anschauen", mahnt er wörtlich. Schon zur Zeit des Apostels Paulus sei man Gefahr gelaufen, sich bei Fragen, wie Feste gefeiert werden müssten oder wie gefastet werden solle, im Kleinlichen zu verlieren. Doch die große Befreiungserfahrung von Ostern dürfe nicht in den unterschiedlichen Vorschriften, wo es meist um Besserwisserei gehe, klein geredet werden, was letztlich dann zum Streit über Kleinigkeiten bis in unsere Tage hinein führe. Dabei müsste es doch mehr um das Eigentliche gehen, nämlich um "den Zugang in die Wirklichkeit Gottes, die uns in Christus eröffnet ist".

Reinhard Kardinal Marx, Großprior der Ritter vom Heiligen Grab

"Jesus Christus selber ist der Zugang. Die Kirche ist Werkzeug, Instrument, Hilfe, damit die Menschen diesen Zugang finden. Aber wir haben doch nicht die Gewalt über die Herzen der Menschen. Wir sind nicht Herren des Gewissens der Menschen."

"Es geht um die Ostererfahrung, die neue Schöpfung", betont Marx. "Und Ihr redet über die Farbe der Altardecke. Ja, wollen wir noch mal ein bisschen die Dimension gerade rücken?", ruft der Kardinal ungehalten seinen Zuhörern entgegen. "Alles zu seiner Zeit. Auch das braucht eine Ordnung. Aber doch bitte an der richtigen Stelle." Zu sehr werde von allen Seiten in den so genannten kirchenpolitischen Diskussionen über Oberflächliches diskutiert. Stattdessen sei doch das Bekenntnis, dass Jesus lebt und wir einen Zugang zu ihm haben, gefragt.

 © Beatrice Tomasetti (DR)
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Und wer Zugang zu Jesus Christus habe, bestimme nicht die Kirche, stellt der Kardinal fest. "Er selber ist der Zugang. Die Kirche ist Werkzeug, Instrument, Hilfe, damit die Menschen diesen Zugang finden. Aber wir haben doch nicht die Gewalt über die Herzen der Menschen. Wir sind nicht Herren des Gewissens der Menschen." Es gehe lediglich darum, die große Einladung auszusprechen, dass die Tür offen sei und einen Namen habe: Jesus von Nazareth. "Aber durchgehen durch die Tür, das müssen alle schon selber. Das kann ihnen niemand abnehmen."

Es gehe darum, Zeuginnen und Zeugen Jesu Christi, seiner Worte und seines Lebensbeispiels mitten in der Welt zu sein, ermutigt Marx. "Und wir rufen allen zu: Er lebt, kommt mit uns, kommt und seht an unserer Lebensweise, an unserem Bekenntnis, an unseren Festen, dass wir nicht in uns verschlossen sind, uns mit Kleinigkeiten aufhalten und über Nebensachen streiten, sondern die große Vision haben, das große Fest Gottes mit allen Menschen."

Reinhard Kardinal Marx, Großprior der Ritter vom Heiligen Grab

"Die Kirche kann das nicht ersetzen, was jeder einzelne in Freiheit, in der Gemeinschaft mit Christus entscheidet."

Auch die Investitur sei eine solche Einladung, den christlichen Glauben gerade im Blick auf die katholische Realität zu bejahen, neuen Schwung aufzunehmen. Es gehe darum, Lebensentscheidungen wie die für eine Lebenspartnerschaft, eine Ehe oder eben auch einen Orden wie den der Grabesritter immer wieder aufs Neue zu fällen und sich darüber klar zu werden: Wo stehe ich? Was ist für mich wichtig? Wo gehe ich hin? Was sind die Grundlagen meines Lebens? Und niemand könne einem eine solche Entscheidung abnehmen: kein Pfarrer, kein Bischof und kein Papst. "Die Kirche kann das nicht ersetzen, was jeder einzelne in Freiheit, in der Gemeinschaft mit Christus entscheidet." Die Kirche sei lediglich Begleiterin dieses inneren Weges, sich allen Verführungen durch Reichtum, Hochmut und Sucht nach weltlicher Ehre zum Trotz  unter das Banner Jesu ziehen zu lassen, das dieser in Jerusalem aufgezogen habe, und sich immer wieder neu für diesen Weg als seine Helferinnen und Helfer zu entscheiden.

Ritterorden vom Heiligen Grab

Die Deutsche Statthalterei des Ritterordens vom Heiligen Grab umfasst rund 1.600 Mitglieder in 6 Ordensprovinzen und 38 Komtureien. Der Großprior der Deutschen Statthalterei ist Reinhard Kardinal Marx.

Um eine Aufnahme in den Orden kann man sich nicht bewerben, mögliche Kandidaten werden angesprochen. Außerdem ist ein Schreiben des örtlichen Pfarrers sowie ein "Nihil obstat" notwendig, eine Art Unbedenklichkeitserklärung der Kirche.

Mitglieder des Ritterordens vom Heiligen Grab zu Jerusalem (KNA)
Mitglieder des Ritterordens vom Heiligen Grab zu Jerusalem / ( KNA )

 

 

 

 

Quelle:
DR