Flüchtlingscamp in Südafrika vor dem Aus

Die Angst vor dem Nichts

Wenn in Europa über Einwanderer diskutiert wird, geht es nicht selten um Afrikaner; Menschen, die ihr Glück fern der Heimat suchen. Doch auch auf dem Schwarzen Kontinent selber ist Migration ein ständiges Thema. Wie in Südafrika, wo gerade einem Camp für Flüchtlinge aus Simbabwe die Schließung droht.

Autor/in:
Dagmar Wittek
 (DR)

Mit klammen Händen stochert Joyce in der Glut des Feuers, der einzigen Wärmequelle im Zeltlager. "Ich habe furchtbare Angst." Die junge Simbabwerin ist seit fast zwei Jahren in Südafrika. Mit ihrem Tageslohn von rund sechs Euro unterstützt sie ihre zwölfköpfige Familie im krisengebeutelten Simbabwe. "Wenn das Lager geschlossen wird, weiß ich nicht wohin", sagt sie leise. Wie der 29-Jährigen geht es weiteren 376 Simbabwern, die mit ihr seit neun Monaten im Auffanglager de Doorns leben, eineinhalb Stunden von Kapstadt entfernt.  



Sie alle waren Opfer von ausländerfeindlichen Übergriffen im November 2009 in de Doorns Schwarzensiedlung Stofland. Das mit Maschendraht und Wachposten gesicherte Zeltlager bot ihnen Schutz. Doch nun müssen sie täglich mit einer Räumung rechnen. Die Stadt will sich das Lager, das monatlich rund 2.000 Euro kostet, nicht mehr leisten. Zudem beschwerten sich Bürger de Doorns, dass das Lager das Ortsbild verschandele und sie den Sportplatz, auf dem die Zelte stehen, wieder nutzen möchten.  



"Sie haben uns weggejagt"

Der Kontrast könnte kaum größer sein. Das Lager liegt in Südafrikas idyllischer Weinregion. Hohe Berge, auf denen noch Schneekappen glitzern, umgeben die sanften, grünen Weinberge. In wenigen Wochen beginnt hier wieder die Saison. Tausende Wanderarbeiter werden erwartet. Joyce fürchtet eine Wiederholung der Pogrome. "Die Südafrikaner in der Siedlung haben uns weggejagt und bedroht. Sie schrien, dass wir ihnen ihre Jobs wegnehmen. Dann haben sie unsere Hütten eingerissen und alles, was wir hatten, geklaut." Joyce, die ihren Nachnamen aus Sicherheitsgründen nicht nennen möchte, verlor alles.

   

Die Polizei griff erst nach drei Tagen ein, obwohl einige Monate zuvor sieben Simbabwer in Stofland verbrannt worden waren. Dies seien Kinderkrankheiten der jungen Demokratie, sagt die Koordinatorin des Katastrophenschutzes und Chefin der Kommunen im Westkap, Hildegard Fast. Die Verfassung von 1996 lege für solche Fälle die Zuständigkeiten nicht eindeutig fest.  



Eine Entschuldigung für die Untätigkeit der Polizei - wie bei ähnlichen fremdenfeindlichen Ausschreitungen davor - könne dies natürlich nicht sein, räumt Fast ein. Aber auf kleinere Vorfälle kurz nach der Fußball-WM in diesem Sommer habe die Regierung erheblich schneller reagiert und an einigen Orten sogar Soldaten abgestellt. Allerdings sei Ausländerfeindlichkeit in Südafrika tatsächlich ein weitverbreitetes und ernstzunehmendes Problem.  



Nach einer Studie der Witwatersrand Universität in Johannesburg flammen Ausschreitungen seit 2008 immer wieder dort auf, wo Einheimische in direkte Konkurrenz zu Einwanderern geraten: Der südafrikanische Ladenbesitzer fürchtet wegen eines somalischen oder simbabwischen Händlers um sein Einkommen. Je jünger die Siedlung, desto höher das Risiko von Übergriffen, weil die sozialen Strukturen noch zu wenig entwickelt sind.  



"In Simbabwe gibt es keine Arbeit - da sterbe ich lieber hier"

In Stofland gibt es keine gewachsenen Strukturen, da jedes Jahr Tausende Wanderarbeiter für die Weinsaison kommen. Ein Pulverfass, sagt Lucy Holbourn vom südafrikanischen Institut für Rassenbeziehungen. Zu der ausländerfeindlichen Stimmung hätten aber auch die Regierenden beigetragen. "Die Rhetorik unserer Politiker suggeriert, dass Südafrika besser ist als andere afrikanische Länder."   



"Ausländer steuern viel zum Wirtschaftswachstum Südafrikas bei", sagt Hildegard Fast. Das müsse betont werden. Jeder ausländische Unternehmer schaffe rund zwei Jobs. Es brauche aber mehr Kommunikation an potenziellen Brandherden. Gemeinsam mit Hilfsorganisationen, der Menschenrechtskommission und dem UN-Flüchtlingshilfswerk will sie die Integration von Migranten in dicht besiedelten Armenvierteln verbessern. In de Doorns hätten sie versucht, eine Art Runden Tisch einzurichten.   



"Alles nur schöne Worte", sagt Tendai bitter. Vor ein paar Tagen war er in Stofland. "Sie haben uns beschimpft und gesagt, dass sie uns zusammenschlagen und in unseren Hütten verbrennen, wenn wir zurückkommen", erzählt der 34-jährige Simbabwer. Jetzt habe er zu viel Angst, um dorthin zurückzukehren. Wie Joyce will auch Tendai die kostenlose Busfahrt nach Simbabwe nicht annehmen, die ihnen die Regierung anbietet, wenn das Lager geschlossen wird. "In Simbabwe gibt es keine Arbeit. Da sterbe ich lieber hier. Bis dahin verdiene ich Geld, um meiner Familie zu Hause zu helfen."