Flüchtlingsdienst kritisiert deutsche Abschiebepolitik

Denn es sind keine Kriminellen

"Uns brennt vor allen Dingen die Situation in der Abschiebungshaft unter den Nägeln", sagt Pater Martin Stark. In Deutschland unterscheide sie sich nicht von der Strafhaft. Europäische Standards würden nicht erreicht, kritisiert der Leiter des Jesuiten Flüchtlingsdiensts im Interview mit domradio.de.

 (DR)

domradio.de: Sie geben ihre Jahrespressekonferenz. Was sind die Schwerpunkte ihrer Arbeit?

Stark: Uns brennt vor allen Dingen die Situation in der Abschiebungshaft unter den Nägeln. Das ist der Kern unserer Arbeit: dass wir die Abschiebungshäftlinge begleiten. In diesem Jahr wurde ein neues Gesetz beschlossen, aber noch nicht unterschrieben. Darin hatten wir große Hoffnungen gesetzt, dass sich aufgrund der Rückführungsrichtlinien in der Abschiebungshaft einiges ändert. Es ist allerdings nur auf sehr niedrigem Niveau umgesetzt worden. Die europäischen Standards werden da von Deutschland nicht erreicht. Wir brauchen eine Trennung von Abschiebungs- und Strafhäftlingen. Abschiebungshäftlinge dürfen nicht den verschärften Bedingungen der Strafhaft unterliegen, denn es sind keine Kriminellen.



domradio.de: Welche Erwartungen an eine dauerhafte Bleiberechtsregelung für langjährig geduldete Ausländer richten sich an die kommende Innenministerkonferenz des Bundes und der Länder?

Stark: Zunächst einmal, dass überhaupt eine Regelung kommt. In den letzten fünf Jahren gab es verschiedene Anläufe. Wir brauchen eine stichtagsunabhängige Regelung, dass gesagt wird: Egal aus welchen Gründen, aber wer so lange hier ist, muss die Möglichkeit für eine legale Perspektive haben. Und auch Menschen, die ihren Lebensunterhalt nicht mehr finanzieren können, weil sie alt, oder krank sind, brauchen eine legale Perspektive durch eine Bleiberechtsregelung.



domradio.de: Wo sehen sie zum Beispiel dringenden Handlungsbedarf für die neue Berliner Landesregierung?

Stark: In Berlin gehen die Zahlen in der Abschiebehaft seit Jahren zurück. Das ist zwar schön. Aber es muss trotzdem kreativ über die Zukunft dieser Haft nachgedacht werden. Wir regen einen Runden Tisch an. Das Gebäude ist sowieso marode und renovierungsbedürftig. Der andere Punkt ist der Flughafen, der im nächsten Jahr eröffnet wird. Hier fordern wir, dass eine Abschiebungsbeobachtung installiert wird, unterstützt und finanziert von der Landesregierung.



Das Gespräch führte Monika Weiß. Hören Sie es hier in voller Länge nach.