Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, sorgt sich um eine mögliche Zunahme von Antisemitismus durch Flüchtlinge aus dem arabischen Raum. "Die hiesigen Konflikte, etwa wie vergangenes Jahr während des Gazakrieges, möchte ich nicht noch einmal erleben. Das macht mir Sorge", sagte Schuster in einem Interview der in Berlin erscheinenden "taz" (Montag). Nach Berichten zu Übergriffen auf Christen in Flüchtlingsheimen kommen darüber hinaus Forderungen von Politikern nach einer getrennten Unterbringung von Schutzsuchenden auf.
Schuster sagte, dass viele Menschen aus Syrien oder dem Irak in einem Lebensumfeld aufgewachsen seien, das von Israelfeindlichkeit und Judenhass geprägt sei. "Es ist eine große Aufgabe, diese Menschen hin zu den Werten zu bringen, die in Deutschland Bestand haben." Er äußerte sich besorgt angesichts von Anschlägen auf deutsche Flüchtlingsunterkünfte. Es sei eine Pflicht, Schutzsuchenden zu helfen. Es sei aber auch "aus Sicherheitsgründen" wichtig, Flüchtlinge an den Grenzen zu registrieren, damit etwa Islamisten entdeckt würden.
"Kein statistisches Material"
Auch die Gewerkschaft der Polizei fordert, Flüchtlinge stärker nach Ethnien und Religionen zu trennen. Polizeikollegen stellten "vermehrt weltanschauliche Motive" bei Streitigkeiten unter Flüchtlingen fest, sagte der stellvertretende Gewerkschaftschef Jörg Radek dem Evangelischen Pressedienst (epd). Konkrete Zahlen konnte er allerdings nicht vorlegen: "Es gibt zurzeit kein statistisches Material." Auch zu den Motiven der Massenschlägerei in einem Flüchtlingslager am Sonntag im hessischen Calden hat die Polizei bislang keine Angaben gemacht.
Die Hauptursache für Streitigkeiten bis hin zu Prügeleien in Flüchtlingsunterkünften sieht Radek indes nach wie vor in den beengten Verhältnissen: "Die Enge macht aggressiv." Radek bemängelte, dass weit mehr Menschen in den Unterkünften unterkommen müssten als eigentlich vorgesehen. Da seien dann zunächst keine weiteren Motive nötig, es könne schon das Anstehen an der Essensausgabe oder vor der Toilette ein Anlass für Streit sein.
"Religiöse Auseinandersetzungen wahrscheinlich"
Solche Auseinandersetzungen können nach Ansicht Radeks aber in Streit über "religiöse und weltanschauliche Fragen" münden. Das würden Betroffene zwar "nicht unbedingt zugeben, aber die Wahrscheinlichkeit ist da", sagte Radek. An der Schlägerei auf dem Gelände des alten Flughafens Calden waren Hunderte Flüchtlinge beteiligt, überwiegend Pakistaner und Albaner. Nach Polizeiangaben wurden 14 Menschen verletzt. In dem Lager sind rund 1.500 Menschen aus 20 Nationen untergebracht.
Nach einem Bericht der Lokalzeitung «Hessisch Niedersächsische Allgemeine» zeigte sich der Bürgermeister der Gemeinde Calden, Maik Mackewitz, über die Ausschreitungen vom Sonntag besorgt. Es sei zwar klar, dass ein Zusammenleben von Menschen aus 20 Nationen eine Eskalationsstufe beinhalte, sagte er der Zeitung. Eine Auseinandersetzung in dieser Schärfe in der Zeltstadt sei jedoch für ihn etwas Neues. Indizien dafür, dass es auch Übergriffe auf die Bevölkerung in Calden geben könne, sehe er allerdings nicht, da sich zwei Gruppierungen gegenseitig attackiert hätten. Eine getrennte Unterbringung unterschiedlicher Gruppen hatte Mitte August auch der Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, gefordert. Zuvor waren bei einer Prügelei in der Erstaufnahmestelle in Suhl (Thüringen) elf Asylbewerber und sechs Polizisten verletzt worden. Auslöser soll ein Streit über den Koran gewesen sein.
Sensibilisierung von Helfern in den Flüchtlingsunterkünften
Mit Blick auf Spannungen in Flüchtlingsunterkünften sagte Simon Jacob vom Zentralrat Orientalischer Christen in Deutschland der "Welt am Sonntag", dass eine getrennte Unterbringung nach Religionen zwar keine langfristige Lösung sein könne. Allerdings würden Christen und Jesiden zunehmend von konservativen Muslimen und Islamisten bedroht. "Ich kenne sehr viele Berichte von christlichen Flüchtlingen, die Angriffen ausgesetzt sind."
Der Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir forderte in derselben Zeitung einen besseren Schutz. "Der Islam gehört zu Deutschland, Islamismus dagegen eindeutig nicht." Özdemir plädiert für eine Sensibilisierung von Helfern in den Flüchtlingsunterkünften "für Anzeichen von religiöser und politischer Unterdrückung - egal woher sie stammt". Der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag, Hans-Peter Friedrich (CSU), sagte der Zeitung: "Wir müssen von Anfang an klarmachen, dass wir die Regeln unseres freiheitlichen Rechtsstaats überall und konsequent durchsetzen."
"Große Probleme von Christen in Heimen"
Die "Welt am Sonntag" berichtet über einen Flüchtling aus dem Iran, der in seiner Unterkunft in Brandenburg nach eigenen Angaben nicht offen dazu stehen kann, dass er Christ ist. "Dann werde ich bedroht." Die Zeitung zitiert darüber hinaus den Pfarrer einer evangelisch- lutherischen Kirche in Berlin, der von "großen Problemen" von Christen in Flüchtlingsheimen erzählt.
Thüringens Justiz- und Migrationsminister Dieter Lauinger (Grüne) berichtet der Zeitung von den Erfahrungen in seinem Bundesland. "Wir achten auf eine konfliktsensible Unterbringung und versuchen, Menschen aus unterschiedlichen Ländern auf verschiedene Stockwerke oder eigene Unterkünfte zu verteilen." Eine Trennung nach Religionen halte er aber für falsch.