Fragen und Antworten zu den sicheren Herkunftsstaaten

Nordafrikaner sollen schneller abgeschoben werden

Auch Tunesien, Algerien und Marokko sollen künftig zu den "sicheren Herkunftsstaaten" gehören. Das beschloss der Bundestag am Freitag. Fragen und Antworten zu den sicheren Herkunftsstaaten im Überblick.

Autor/in:
Christoph Arens
Abgelehnte Asylbewerber / © Uwe Zucchi (dpa)
Abgelehnte Asylbewerber / © Uwe Zucchi ( dpa )

Was sind sichere Herkunftsstaaten?

Der Begriff sichere Herkunftsstaaten ist seit 1993 Teil des deutschen Asylrechts. Bei den im Paragraf 29 des Asylverfahrensgesetzes aufgelisteten Ländern nimmt der Gesetzgeber an, dass dort weder politische Verfolgung noch unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung stattfindet. Asylanträge von Menschen aus diesen Staaten werden in der Regel abgelehnt, solange die Betroffenen nicht glaubhaft nachweisen können, dass sie doch verfolgt werden. Die Einstufung ermöglicht den Behörden damit schnellere Verfahren und einfachere Regeln für eine zentrale Unterbringung.

Welche Länder gelten als sichere Herkunftsstaaten?

Die Liste der sicheren Herkunftsstaaten verändert sich immer wieder. Dazu gehören derzeit die Staaten der EU, die sechs Westbalkanstaaten Bosnien-Herzegowina, Mazedonien, Serbien, Montenegro, Albanien und Kosovo sowie Ghana und Senegal. Nach den Vorstellungen der Regierungskoalition sollen künftig auch Tunesien, Algerien und Marokko in die Liste aufgenommen werden. Der Bundesrat muss dem zustimmen. Dabei sind Union und SPD auf die Zustimmung grün-regierter Länder angewiesen.

Warum sollen auch die drei nordafrikanischen Staaten als sicher eingestuft werden?

Die Bundesregierung argumentiert, die Länder seien politisch stabil und hätten weitgehend funktionierende Verfassungen und Staatswesen. Asylanträge aus Nordafrika würden "zumeist aus asylfremden Motiven" gestellt. Dies gehe zulasten der tatsächlich Schutzbedürftigen. Schon jetzt werden Asylanträge aus dem Maghreb selten anerkannt. Im ersten Quartal 2016 lag die Quote bei 0,7 Prozent. Die Einordnung der drei nordafrikanischen Staaten als sichere Herkunftsländer ist damit auch als Signal an die dortigen Bürger gedacht, dass sie kaum mit Asyl rechnen können.

Welche Konsequenzen ergeben sich für die Flüchtlinge?

Die deutschen Behörden verzeichneten seit vergangenen Sommer einen deutlichen Anstieg von Asylbewerbern aus der Region. Bei den Erstregistrierungen gehörte Marokko im Dezember sogar zu den Top fünf unter den Herkunftsländern. Zuletzt gingen die Einreisen aber stark zurück. Laut Bundesamt für Migration und Flüchtlinge kamen im Januar noch 3.356 Flüchtlinge aus dem Maghreb: Im Februar waren es noch 599 und im März 480.

In der Kölner Silvesternacht gehörten offenbar Flüchtlinge aus diesen Staaten zu den Tätern, die Frauen belästigt haben sollen. Deutsche Politiker warfen den Regierungen der drei Staaten zudem vor, sich bei der Rücknahme abgeschobener Flüchtlinge wenig kooperativ zu zeigen.

Im Frühjahr verhandelte Bundesinnenminister Thomas de Maiziere (CDU) deshalb mit den beteiligten Regierungen über erleichterte Rückführungen. Deutschland bot im Gegenzug Hilfen bei Entwicklung und Sicherheit an.

Ist sich die Bundesregierung einig?

Insbesondere aus Teilen der SPD kommt Kritik an dem Vorhaben. Die Fraktion betont, für sie sei es eine Entscheidung auf Widerruf. Diese werde im Oktober 2017 anhand gesammelter Erfahrungen überprüft. De Maiziere räumte am Freitag im Bundestag ein, die Bundesregierung sei sich mit Blick auf die Rechtslage in den Ländern durchaus der kritischen Punkte bewusst. Deswegen werde künftig auch den Menschen aus diesen Ländern Schutz gewährt, wenn ihnen individuelle Verfolgung drohe.

Was sagen die Kritiker?

Im Bundestag kritisieren Linke und Grüne das Vorhaben. Auch Menschenrechtsorganisationen und Flüchtlingsverbände wie Pro Asyl haben Einwände. Es gebe in den Ländern "erhebliche Menschenrechtsverletzungen", darunter Folter, Verfolgung von Homosexuellen und unzureichender Schutz von Frauen und Mädchen vor sexueller Gewalt. Alleiniges Ziel der Bundesregierung sei es, die Zahl der Flüchtlinge zu vermindern. 

Wie positionieren sich die Kirchen?

Die beiden kirchlichen Wohlfahrtsverbände Diakonie und Caritas haben in dieser Woche grundsätzliche Kritik am Konzept der sicheren Herkunftsstaaten geübt. "Es rührt am Kern des Grundrechts auf Asyl - dem Recht auf individuelle Prüfung -, diese drei Länder als sichere Herkunftsstaaten einzustufen und über die Asylanträge Schutzsuchender von dort künftig in einem Schnellverfahren zu entscheiden", erklärten sie.


Quelle:
KNA