Fragen und Antworten zur elektronischen Patientenakte

Meilenstein für die Digitalisierung

Die Krankenkassen haben begonnen, elektronische Patientenakten für die 73 Millionen gesetzlich Versicherten anzulegen, außer, sie haben ausdrücklich widersprochen. Was könnte sich mit der ePA verbessern? Was sagen Datenschützer?

Autor/in:
Christoph Arens
E-Patientenakte / © Jens Kalaene (dpa)

Seit wann gibt es die ePA?

An der ePA wird schon seit mehr als 20 Jahren gearbeitet. Schon seit dem 1. Januar 2021 bieten die Krankenkassen ihren Versicherten eine App zum Download an, mit der sie Zugang zur ePA bekommen - allerdings mit nur geringer Nachfrage. Deshalb hat Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) den Schalter umgelegt: Jeder erhält automatisch eine elektronische Patientenakte - außer, der Versicherte hat ausdrücklich widersprochen. 

Dazu hat jeder gesetzlich Versicherte in den vergangenen Monaten einen Brief oder eine E-Mail von seiner Krankenkasse bekommen, mit dem Angebot, dem automatischen Anlegen der ePA zu widersprechen. Am Mittwoch ging die Patientenakte in Modellregionen in Hamburg, Franken und NRW an den Start. Mehr als 250 Praxen, Apotheken und Kliniken sind beteiligt. Ab Mitte Februar soll sie dann bundesweit in rund 200.000 Gesundheitseinrichtungen an den Start gehen - wenn alles funktioniert.

Was ist die elektronische Patientenakte?

Die ePA soll die bisher an verschiedenen Orten wie Praxen und Krankenhäusern abgelegten Patientendaten digital zusammentragen und ein Ende der Zettelwirtschaft im Gesundheitswesen bringen.

Notfalldaten, Laborwerte, Röntgenbilder, Arztbriefe, Befunde und Medikationspläne, aber auch der Impfausweis, der Mutterpass, das Untersuchungsheft für Kinder und das Zahnbonusheft sollen schrittweise elektronisch archiviert und schnell abgerufen werden können. Langfristig sollen Patienten auch ihre durch Fitnesstracker gewonnenen Gesundheitsdaten - Blutzuckerwerte, Blutdruckmessungen - in der ePA einspeichern können. Rund 200.000 Leistungserbringer - Krankenhäuser, Arztpraxen, Apotheker, Pflegeheime und andere Gesundheitseinrichtungen - sollen durch die ePA besser vernetzt werden und haben dann schnell Zugriff auf alle relevanten Daten.

Was soll die ePA bringen?

Ziel ist es, wichtige Informationen zur Gesundheit des Patienten ein Leben lang digital zu speichern, damit sich Ärztinnen und Ärzte im Notfall schnell einen Überblick über die Krankengeschichte verschaffen können. Auch sollen unnötige Doppeluntersuchungen und unerwünschte Arzneimittelnebenwirkungen vermieden werden. Mit der Speicherung soll das Gesundheitswesen effektiver, schneller, unbürokratischer und damit auch kostengünstiger gemacht werden.

Wo lagen die Hindernisse bei der Einführung der Patientenakte?

Der Einführung waren jahrelanger Streit, viel Widerstand bei Ärzten und Datenschützern und viele technische Versuche vorausgegangen: Zentrale Konflikte sind der Aufbau sicherer Datenverbindungen, für alle gültige Sicherheitsstandards, die Kosten und der Datenschutz.

Die Ärzte befürchten Mehrarbeit, weil sie die Daten doppelt dokumentieren müssen: in der elektronischen Patientenakte und ihren eigenen Akten. Aus Sicht von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) bedeutet die Einführung der Patientenakte einen Meilenstein bei der Digitalisierung des Gesundheitswesens.

Welche technischen Hilfsmittel brauche ich für die ePA?

Die gesetzlichen Krankenkassen müssen ihren Versicherten eine App für die elektronische Patientenakte anbieten. Es gibt auch eine App-Version für den PC oder Laptop. Mit der App kann man Dokumente hoch- oder herunterladen, anzeigen, verbergen und löschen, Widersprüche erteilen oder Vertreter ernennen. Ebenso können die Besitzer Zugriffsberechtigungen und Zugriffsdauer von Ärzten, Apothekern oder Ähnliches festlegen. Eine Datenmitnahme bei Krankenkassenwechsel ist möglich.

Wer bestimmt, was gespeichert wird?

Ärzte sind verpflichtet, die Patientenakte zu befüllen. Die Daten gehören aber den Patienten. Sie können deshalb auch bestimmen, ob und welche Informationen in der ePA gespeichert werden und auch, welche wieder gelöscht werden sollen. Patienten können auch entscheiden, dass der Arzt in die Patientenakte nur hineinschreibt, aber nicht sieht, was dort schon enthalten ist. Sie können auch vorgeben, ob sie die Daten entweder nur für die aktuelle Behandlung oder für einen längeren Zeitraum (zum Beispiel in der Hausarztpraxis) freigeben.

Manche möchten vielleicht auch gar nicht, dass der Zahnarzt von der Behandlung beim Psychotherapeuten erfährt...

Patientinnen und Patienten sollen auch bestimmen, ob für sie vielleicht problematische Informationen wie psychische Erkrankungen, Aids oder ein Schwangerschaftsabbruch in der ePA stehen. Deshalb können sie verschiedene Vertraulichkeitsstufen einstellen. Fraglich ist aber, wie benutzerfreundlich die Technik ist und ob Patienten damit umgehen können. Auch viele Ärzte beklagen eine fehlende Datenstruktur und umständlichen Zugang zu den Informationen. Der Verbraucherzentrale Bundesverband und die Deutsche Aids Stiftung drängen auf unkomplizierte Einstellungen, welcher Mediziner was einsehen kann. Der Zahnarzt müsse nichts von der Psychotherapiebehandlung erfahren.

Wie funktioniert der Zugang technisch?

Patientinnen und Patienten müssen die medizinischen Daten mittels ihrer elektronischen Gesundheitskarte (eGK) und einer persönlichen Identifikationsnummer (PIN) freigeben. Ärztinnen und Ärzte benötigen für den Zugriff einen zweiten Schlüssel, nämlich ihren Heilberufsausweis und ebenfalls eine PIN. Wer als Patient selber Zugriff zu seinen Daten haben will, muss eine entsprechende App seiner Krankenkasse herunterladen.

Wie sicher sind die Daten?

Der Zugriff auf die ePA erfolgt über die Telematikinfrastruktur, ein Netzwerk, das in sich geschlossen und sicher sein soll. Niemand außer der oder dem Versicherten und denjenigen, die von diesen zum Zugriff berechtigt wurden, können die Inhalte lesen, auch die Krankenkassen nicht. Sie sollen weiterhin nur Zugriff auf die Abrechnungsdaten haben. Datenschützer verweisen jedoch auf mögliche Hacker-Angriffe.

Der Chaos Computer Club hat kürzlich Sicherheitslücken aufgedeckt.

Lauterbach will medizinische Informationen auch für die Forschung leichter zugänglich machen. Warum?

Experten betonen, Deutschland sei aus Datenschutzgründen etwa in der Krebsforschung dramatisch zurückgefallen. Gesundheitsdaten seien derzeit die wichtigste Quelle für neue Forschung. Lauterbach betont, es gebe schon jetzt eine riesige Menge Daten, die aber in getrennten Silos lägen und nicht miteinander verknüpft werden könnten. Um das zu ändern, soll unter anderem eine zentrale Stelle eingerichtet werden, die einen Zugang zu pseudonymisierten Daten aus verschiedenen Quellen wie Krebsregistern, Krankenkassendaten und Daten aus der elektronischen Patientenakte ermöglichen soll. Patienten sollen der Nutzung ihrer Daten zu Forschungszwecken aber auf der ePA widersprechen können.