Fragen und Antworten zur Situation auf der Ägäis-Insel

Lesbos: Nadelöhr des EU-Türkei-Abkommens

Für Papst Franziskus gleicht es einer Katasstrophe: Die griechische Insel Lesbos wurde zu einem der Hauptziele für Flüchtlinge. Doch warum gibt es ausgerechnet da so viele Flüchtlinge? Und was passiert nun mit Ihnen?  Fragen und Antworten. 

Autor/in:
Franziska Broich
Flüchtlinge auf der Insel Lesbos / © Kay Nietfeld (dpa)
Flüchtlinge auf der Insel Lesbos / © Kay Nietfeld ( dpa )

Die griechische Insel Lesbos ist einer der Hauptschauplätze der Flüchtlingskrise. Zeitweise kamen täglich Tausende Menschen mit kleinen Booten an. Von dort zogen sie weiter auf die Balkanroute, bis immer mehr europäische Länder ihre Grenzen schlossen und die Flüchtlinge in Griechenland feststeckten. Seit Europas Staats- und Regierungschefs am 7. März das EU-Türkei-Abkommen besiegelten, kommen deutlich weniger Flüchtlinge auf Lesbos an. In einem geschlossenen Camp warten die Asylbewerber nun auf die Bearbeitung ihres Antrags. Dazu die wichtigsten Fragen und Antworten:

Was steht im EU-Türkei-Abkommen?

Der Pakt sieht vor, dass Flüchtlinge, die in Griechenland kein Asyl beantragen oder deren Anträge abgelehnt wurden, in die Türkei zurückgeschickt werden. Im Gegenzug will die EU für jeden rückgeführten Flüchtling einen syrischen Flüchtling aus der Türkei aufnehmen. Zudem erhält die Türkei bis zu sechs Milliarden Euro, um die Lage der Flüchtlinge im Land zu verbessern. Die Visa-Bestimmungen für Türken sollen gelockert, die EU-Beitrittsverhandlungen vorangebracht werden.

Wie weit sind die Behörden mit der Umsetzung des Abkommens?

Am 4. April wurden erstmals Flüchtlinge von Griechenland zurück in die Türkei gebracht; bis 11. April waren es nach Angaben der EU-Kommission 325. Deutschland, Finnland und die Niederlande haben demnach im Gegenzug insgesamt 74 Flüchtlinge aufgenommen. Bis jetzt seien allerdings nur Flüchtlinge in die Türkei zurückgeschickt worden, die keinen Asylantrag gestellt hätten. Die griechischen Behörden arbeiten demnach an der Prüfung der Asylanträge. Mehrere EU-Länder haben laut Kommission Experten nach Griechenland geschickt, um die Verfahren zu beschleunigen. Derzeit dauern Asylverfahren dort mindestens vier Wochen. Die Leiterin der griechischen Asylbehörde, Maria Stavropoulou, will dies auf bis zu acht Tage reduzieren.

Warum gibt es ausgerechnet auf Lesbos so viele Flüchtlinge?

Der Hafen Mytilini ist nur wenige Kilometer von der türkischen Stadt Dikili entfernt. Mit der Fähre dauert die Überfahrt eineinhalb Stunden. Für syrische Flüchtlinge, die über die Türkei nach Europa kommen wollen, ist das eine der kürzesten Routen. Knapp 600.000 Menschen sind laut den griechischen Behörden seit 2015 auf Lesbos angekommen. Seit dem Abschluss des EU-Türkei-Abkommen sind die Zahlen um etwa 80 Prozent gesunken.

Wo leben die Flüchtlinge auf Lesbos?

Im Lager Moria sind rund 3.000 Flüchtlinge untergebracht. Darunter sind Pakistaner, Kongolesen, Syrer, Afghanen und viele andere Nationalitäten. Sie warten auf die Prüfung ihres Asylantrags. Seit 21. März ist das Camp mit Stacheldraht umzäunt; Helfer haben keinen Zugang mehr. Die Betroffenen klagen über fehlende medizinische Versorgung, unzureichende Waschgelegenheiten. Zudem hätten sie keine Chance, mit einem Anwalt zu sprechen.

Ist die Unterbringung von Flüchtlingen in sogenannten Haftzentren erlaubt?

Wenn der Verdacht besteht, dass sich Flüchtlinge absetzen könnten, bevor sie registriert oder abgeschoben werden, dürfen EU-Länder Migranten unter strengen Bedingungen inhaftieren. Die EU-Kommission betont, dass es für solche Situationen klare Regeln gebe und sich Griechenland daran halten müsse. Haftzentren für Flüchtlinge gibt es auch in anderen europäischen Ländern. Aus Protest gegen die Umwandlung des Flüchtlingslagers auf Lesbos in ein «Haftzentrum» haben mehrere Hilfsorganisationen - darunter das UN-Flüchtlingshilfswerk und Ärzte ohne Grenzen - die Insel Mitte März verlassen.

Werden Flüchtlinge aller Nationalitäten zurück in die Türkei geschickt, und was passiert dort mit ihnen?

Ja, allerdings erst nach rechtmäßiger Prüfung des Asylantrags. Einige Organisationen und Politiker kritisieren, es sei ungeklärt, was mit nicht-syrischen Flüchtlingen in der Türkei passiere. Sie fürchten, dass die Türkei diese Menschen nicht ausreichend schütze oder sie zurück in ihr Land schicke, obwohl sie dort bedroht seien. In der Türkei werden syrische Flüchtlinge in Lagern untergebracht. Mit dem Geld, das die Türkei dank des Abkommens von der EU erhält, soll die Lage in den Camps verbessert werden.


Quelle:
KNA