domradio: Wie sollen denn diese Solar-Kraftwerke in der Sahara aussehen?
Alt: Das frage ich mich auch. Das weiß noch keiner. Soviel ich aber weiß, scheint auch in Nordrhein-Westfalen die Sonne. Und zwar jeden Tag. Wir haben nicht die Zeit, bis 2050 zu warten um den Klimawandel zu stoppen. Ein Beispiel: Wir haben auf unserem Hausdach seit 18 Jahren zwei Solaranlagen. Die eine macht Strom, die andere Wärme. Wir produzieren auf einem Altbau in Baden-Baden doppelt soviel Strom wie eine normale deutsche Familie verbraucht. Wieso Afrika? Wieso wieder in den alten Strukturen? 3.000 Kilometer lange Leitungen! Wenn doch jedes deutsche Dach dafür genutzt werden kann. Wir haben so viele Möglichkeiten im eigenen Land, da müssen wir nicht nach Afrika. Die Afrikaner brauchen ihre Energie selber. Mir fällt auf, dass bei den Verantwortlichen für das Projekt heute nur ein Afrikaner dabei ist - und 13 Europäer. Das ist typisch. In Afrika wollen wir das Ding errichten, aber ein Afrikaner ist dabei. Wir haben die Afrikaner gar nicht gefragt. Das ist Neo-Kolonialismus, was da stattfindet.
domradio: Heute wird die Initiative gegründet von welchen Zeitraum sprechen wir eigentlich, wann soll der erste Strom fließen?
Alt: Die Initiatoren gehen davon aus, dass das mindestens zehn Jahre dauert. Normalerweise dauert es dann 20. Und in der Zwischenzeit sollen unsere Dächer weiterhin umsonst in der Gegend rum stehen. Das ist eine ziemliche Lachnummer. Also nicht die alten zentralistischen Strukturen, sondern dezentrale, heimische sind gefragt. Europa hat unendlich viel Energie! Eine neue Studie der Universität Osnabrück hat ergeben: Die Großstädte in Deutschland könnten 70 Prozent ihres gesamten Stromaufwandes direkt über die Sonne nutzen. Dazu kommen noch Bioenergie und Erdwärme, Gezeiten- und Strömungsenergie, Ostsee- und Nordsee. Wir haben alles direkt vor der eigenen Haustüre. Wir brauchen keine Energieversorgung über Afrika. Das ist altes, überholtes, antiquiertes Denken und wird wahnsinnig teuer.
domradio: Bis 2050 soll angeblich ein sechstel des Europäischen Stroms von Nordafrika nach Europa geliefert werden, dafür braucht man auch politische stabile Partner. Sind die in der Region gegeben?
Alt: Das sehe ich auch kritisch. So wenig wie Herr Putin mit Sicherheit immer Gas liefert, werden die nordafrikanischen Potentaten mit Sicherheit uns immer Strom liefern wollen. Ich bin sehr dafür, dass Afrika Solarstrom nutzt. Aber doch bitte für Tunis, Kairo, Alexandria, für die dortigen Millionenstädte und die dortigen Dörfer.
Hören Sie hier das Gespräch in voller Länge nach.
Franz Alt kritisiert Desertec-Projekt scharf
"Wieso Afrika?"
Kaum ein anderes Industrieprojekt hat die Fantasie der Manager und Politiker in jüngster Zeit mehr beflügelt als Desertec: Sonnenenergie aus der afrikanischen Wüste für Europa. "Neo-Kolonialismus", kritisiert Journalist Franz Alt das Projekt. Im domradio-Interview erklärt der Kämpfer für Sonnenenergie die Nachteile der Idee und schlägt Alternativen vor.
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