Franziskus erneut auf heikler Mission im Kaukasus

Papst wirbt für Völkerverständigung

Papst Franziskus ist zu seiner Visite im Kaukasus eingetroffen. Er wurde von Staatspräsident Margwelaschwili und dem georgisch-orthodoxen Patriarchen Ilia II. empfangen. Franziskus mahnte zur Beilegung der Konflikte.

Als Zeichen des Friedens ließ der Papst eine Taube fliegen.  / © Luca Zennaro (dpa)
Als Zeichen des Friedens ließ der Papst eine Taube fliegen. / © Luca Zennaro ( dpa )

Papst Franziskus hat zu Beginn seiner Kaukasus-Reise zur Beilegung der Konflikte gemahnt. Für die politisch Verantwortlichen müsse das Schicksal der Menschen an erster Stelle stehen, sagte er beim Empfang durch Georgiens Staatspräsident Giorgi Margwelaschwili am Freitag in Tiflis. Kein Unterschied ethnischer, sprachlicher, politischer oder religiöser Art dürfe "als Vorwand gebraucht werden, um Divergenzen in Konflikte und Konflikte in endlose Tragödien zu verwandeln", so der Papst.

Mit Blick auf die Region des Kaukasus verlangte Franziskus die "Achtung der souveränen Sonderrechte jedes Landes im Rahmen des internationalen Rechtes". Dessen Grundsätze dienten einem geordneten und friedlichen Zusammenleben. Die "legitimen Unterschiede und Gegensätze" dürften nicht den Rahmen des Dialogs verlassen.

Von Tiflis losgesagt

Namen nannte Franziskus nicht. Die Äußerungen schienen jedoch auf die Separation Südossetiens und Abchasiens von Georgien wie auch auf den Konflikt zwischen Aserbaidschan und Armenien um Berg-Karabach zu zielen. Südossetien und Abchasien hatten sich 1992 unter anderem mit Verweis auf ethnische Interessen von Tiflis losgesagt. Beide Republiken werden international lediglich von Russland und wenigen anderen Staaten anerkannt.

Staatspräsident Margwelaschwili dankte dem Papst für dessen "Unterstützung der territorialen Integrität und Souveränität Georgiens". Zudem erinnerte er an den Kaukasuskrieg 2008; Margwelaschwili sprach von einer "russischen militärischen Aggression". 20 Prozent des georgischen Territoriums seien besetzt; 15 Prozent der Georgier müssten wegen ihrer Volkszugehörigkeit auf der Flucht leben, viele seien Gewalt, Entführungen, Mord und Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt, so der Präsident.

Erinnert an die Wiedervereinigung Deutschland

Georgien suche nicht die Konfrontation, sondern "lediglich einen Weg, der unser Land zur Befreiung von fremder Besatzung und zum Frieden führt", so Margwelaschwili. Dabei erinnerte er an den "Tag der Deutschen Einheit", der in wenigen Tagen begangen werde. Die friedliche Wiedervereinigung Deutschlands sei dank des geschlossenen Einsatzes der Staatengemeinschaft möglich geworden, sagte der Präsident.

Der Papst rief Georgien weiter auf, die Bedingungen von Stabilität, Gerechtigkeit und Achtung der Gesetzlichkeit zu schaffen. Es gelte, "das Wachstum zu fördern und die Chancen für alle zu mehren". Der Regierung bot er die "aktive Zusammenarbeit" der katholischen Kirche an. Zugleich bekundete er den Wunsch nach einem "vermehrten Dialog mit der angestammten orthodoxen georgischen Kirche".

Papst betet für die "von Bomben ausgebrannten Völker" in Nahost

Am ersten Abend seines Georgienbesuchs hat Papst Franziskus ein Friedensgebet für die leidenden Menschen im Nahen Osten gehalten. "Lass die von Bomben ausgebrannten Völker die Freude deiner Auferstehung kosten, hebe den Irak und Syrien aus der Verwüstung", betete er am Sitz der chaldäischen Kirche in Tiflis.

An der Feier nahm auch der chaldäische Patriarch Louis Raphael I. Sako teil, der üblicherweise in Bagdad residiert. Nach Vatikanangaben leben rund 7.000 Gläubige der mit Rom verbundenen chaldäischen Kirche in Georgien.

Ansprachen oder Grußworte wurden bei dem Gebetsgottesdienst nicht gehalten. Im Mittelpunkt standen aramäische Gesänge nach der jahrhundertealten Tradition dieser Kirche. Papst Franziskus trug sein Gebet auf Italienisch vor. Beim Abschied von der Gemeinde ließ er vor der Kirche eine weiße Taube aufsteigen. Unter den anwesenden Bischöfen war auch der frühere Lateinische Patriarch Fouad Twal, bis zu seinem altersbedingten Rücktritt im Oberhirte der römisch-katholischen Kirche im Heiligen Land.

Wahl überschattet Papstbesuch

Russland erkennt seit einem Krieg 2008 die von Tiflis abtrünnigen Gebiete Südossetien und Abchasien als unabhängige Staaten an. Wegen des mehrtägigen Waffengangs gilt der große Nachbar im Norden vielen Georgiern bis heute als Feind. Auch bei der Parlamentswahl am 8. Oktober ist dies eines der zentralen Themen.

Die Abstimmung gilt als wichtige Richtungswahl, denn die Regierung strebt eine Annäherung an EU und Nato an. Die Wahl überschattet den Papstbesuch, die öffentliche Debatte in der Schwarzmeernation dreht sich wenige Tage vorher nur um Regierung und Opposition. Normalerweise vermeidet es der Vatikan, dass der Papst in Regionen reist, in denen Wahlen anstehen. Aber da Georgien kein katholisches Land sei, werde der Papst als nicht sehr einflussreich angesehen, betonte Vatikansprecher Greg Burke.

Komplizierte Beziehung

Zwar unterstützt der georgische Patriarch Ilja II. den Papstbesuch, doch die Beziehungen der beiden Kirchen sind kompliziert. 2003 wollten der Heilige Stuhl und die Regierung ein Abkommen treffen, dass der katholischen Kirche einen Rechtsstatus in Georgien gegeben hätte. Doch auf Druck der orthodoxen Kirche scheiterte das Abkommen.

Die georgische Kirche gilt als ultrakonservativ sowie als treuer Partner des Patriarchats in Moskau, das die Vorherrschaft in der orthodoxen Welt anstrebt. Rund 84 Prozent der etwa vier Millionen Georgier bekennen sich zu ihrer Nationalkirche, die vom Staat wertvolle Privilegien und Geld erhält.

Wenig deutet in der Hauptstadt Tiflis auf den Papstbesuch hin. Und nicht alle Georgier empfangen Franziskus mit Freude. Orthodoxe Hardliner hatten vergangene Woche demonstriert. "Du bist nicht willkommen im orthodoxen Georgien", stand auf einem Plakat.

Höhepunkt: Messe am Samstag

Die katholische Kirche kann dies nicht nachvollziehen. "Der Papst kommt als Friedensbotschafter nach Georgien", sagt Bischof Giuseppe Pasotto örtlichen Medien zufolge. "Warum sollte jemand etwas dagegen haben?" Höhepunkt der Visite dürfte eine Messe am Samstag in einem Stadion werden, zu der Zehntausende Menschen erwartet werden, auch wenn nach Angaben aus Tiflis nur 20 000 Georgier katholisch sind - der Vatikan spricht dagegen von 112 000 Katholiken.

Im benachbarten Aserbaidschan wird mit Spannung erwartet, ob Franziskus zum Abschluss seiner Kaukasusreise deutliche Worte zum blutigen Konflikt um das Unruhegebiet Berg-Karabach findet. Dieses gehört völkerrechtlich zu Aserbaidschan, proarmenische Kräfte hatten sich aber mit einem Krieg Anfang der 1990er Jahre von Baku losgesagt. Seither flammen immer wieder Kämpfe auf. Bei seinem Armenien-Besuch im Juni hatte der Papst für Frieden in Berg-Karabach gebetet. "Es steht mir nicht zu, vorwegzunehmen, was der Papst sagen wird. Man weiß, dass der Heilige Stuhl sich generell nicht in solche Konflikte einmischt, aber warten wir es ab", sagte der Papstsprecher.

Besuch einer Moschee

In der mit Öl- und Gaseinnahmen modernisierten Hauptstadt Baku am Kaspischen Meer plant der Papst einen Gottesdienst und will eine Moschee besuchen. Der autoritäre Präsident Ilham Aliyev will sein Treffen mit Franziskus nutzen, um das muslimisch geprägte Land als tolerant zu präsentieren. Mit rund 500 Gläubigen machen Katholiken in dem Land nur 0,01 Prozent der Bevölkerung aus. Kritiker werfen Aliyev vor, die Opposition zu unterdrücken und Menschenrechte zu missachten.

Bei der dreitägigen Reise solle es vor allem um die Themen Frieden, Ökumene und um den interreligiösen Dialog gehen, so der Vatikan. Dass Franziskus auch in kritischen Situationen kein Blatt vor den Mund nimmt, hatte er bei seiner Armenien-Reise bewiesen, als er das Massaker 1915/16 an den Armeniern im Osmanischen Reich erneut als Völkermord bezeichnet und damit Proteste in der Türkei - dem Nachfolgstaat des Osmanischen Reiches - ausgelöst hatte.


Tiflis / © Ggia (CC BY-SA 3.0 DE)
Quelle:
dpa , KNA