Franziskus gab erstes Interview für europäisches Fernsehen

"Vieles angestoßen" im Heiligen Jahr

Der katholische Sender TV 2000 der italienischen Bischofskonferenz hat den Papst zum Abschluss des Heiligen Jahres der Barmherzigkeit interviewt.

Der Papst besucht ehemalige Zwangsprostituierte / © EPA/OSSERVATORE ROMANO (dpa)
Der Papst besucht ehemalige Zwangsprostituierte / © EPA/OSSERVATORE ROMANO ( dpa )

40 Minuten sprach er über Haftstrafen, moralischen Zeigefinger, Abtreibung, und Prostitution.

Es war eine Premiere: Papst Franziskus stellte sich zum Abschluss des Heiligen Jahres den Fragen von zwei Journalisten des katholische Senders TV 2000 der italienischen Bischofskonferenz. In den 40 Minuten sprachen die Journalisten mit Papst Franziskus über die Themen der Barmherzigkeit, die dem Heiligen Vater im vergangenen Jahr am Herzen lagen. Mehr Barmherzigkeit wünscht sich der Papst unter anderem bei Gefängnisstrafen.

Papst Franziskus: Lebenslange Haft ist "verkappte Todesstrafe"

Er kritisierte lebenslange Haftstrafen als unmenschlich. Jede "Strafe ohne Hoffnung" sei weder christlich noch human. Eine unbefristete Inhaftierung, die keine Chance auf Resozialisierung biete, sei eine "verkappte Todesstrafe". Ein Gefängnis müsse dagegen "wie ein Fegefeuer" auf die Wiedereingliederung in die Gesellschaft vorbereiten.

Franziskus räumte ein, es könne Straftäter geben, die aufgrund ihrer psychischen Voraussetzungen keine Wiedereingliederung erwarten ließen. Solche Personen müssten wenigstens innerhalb der Strafanstalten die Möglichkeit erhalten, sich durch Arbeit oder kulturelles Schaffen als nützliche Glieder der Gesellschaft zu fühlen.

Papst Franziskus gegen übertriebenen moralischen Zeigefinger

Als eine der letzten Initiativen in dieser Zeit hatte Franziskus vor einer Woche Strafgefangene und ehemalige Häftlinge als Pilger im Vatikan empfangen und mit ihnen eine Messe gefeiert.

Zudem hat sich Papst Franziskus gegen eine seiner Ansicht nach übertriebene moralische Strenge gewandt. Eine solche Härte nehme "immer den Posten des Richters ein." Franziskus wörtlich: "Gerechtigkeit und Barmherzigkeit sind bei Gott dieselbe Sache: Die Barmherzigkeit ist gerecht und die Gerechtigkeit ist barmherzig, und man kann das nicht trennen."

Papst: Sex mit Prostituierten hilft Zuhältern

Neben Abtreibung, die er als "schwerwiegende Sünde" bezeichnet, kritisierte der Papst im Interview auch Männer, die zu Prostituierten gehen. "Wissen die denn nicht, dass sie mit diesem Geld, mit dem sie sich sexuelle Befriedigung verschaffen, den Zuhältern helfen?", fragte Franziskus.

Das Kirchenoberhaupt berichtete dem italienischen Sender TV 2000, dass ihm sein Besuch bei ehemaligen Zwangsprostituierten besonders im Gedächtnis geblieben war. Der Papst hatte die Frauen im Rahmen seiner "Freitage der Barmherzigkeit" im August in einem Haus der Gemeinschaft Papst Johannes XXIII. im Norden Roms getroffen.

Franziskus: "Verbrechen gegen die Menschlichkeit"

Menschenhandel und Zwangsprostitution hat Franziskus wiederholt kritisiert. Mehrfach sprach er in diesem Zusammenhang von "Verbrechen gegen die Menschlichkeit".

Unmenschlichkeit beobachtet der Papst auch in den Gesellschaften. Für Papst Franziskus ist Hartherzigkeit "eine der schlimmsten Krankheiten" der Gegenwart. Die Welt von heute brauche eine "Revolution der Zärtlichkeit", forderte Franziskus. Hartherzigkeit führe dazu, Menschen als Abfallprodukt zu sehen, so das Kirchenoberhaupt. Als Beispiel verwies er indirekt auf die Bombardierung der syrischen Stadt Aleppo: Bomben würden auch auf Krankenhäuser und Schulen abgeworfen.

Papst: "Habe eine Allergie gegen Schmeichler"

Zu Papst Franziskus kann nach eigenen Worten Lobhudelei schwerer ertragen als unfaire Angriffe. "Ich habe eine Allergie gegen Schmeichler", sagte er. Schmeichler - oder nach einem Dialektausdruck seiner Heimatstadt Buenos Aires "Sockenlecker" - wollten andere mehr oder weniger offensichtlich für sich selbst einspannen, so der Papst. Die Abneigung gegen solche Leute liege ihm in der Natur und sei "keine Tugend".

Verleumdungen hingegen nehme er gelassen hin. "Ich hab's verdient, weil ich ein Sünder bin", sagte Franziskus. Üble Nachrede bringe ihn zum Nachdenken über sich selbst, auch wenn der Betreffende nicht wisse, was er, Franziskus, sich tatsächlich vorzuwerfen habe.

Schreiben des Papstes "Misericordia et misera"

Am Montag veröffentlicht Franziskus ein Schreiben mit dem Titel "Misericordia et misera". Diese lateinischen Anfangsworte beziehen sich auf ein Wortspiel des Kirchenvaters Augustinus (354-430), der die Nicht-Verurteilung einer Ehebrecherin durch Jesus damit beschrieb, hier begegneten sich "die Erbarmenswerte (misera) und die Barmherzigkeit (misericordia)".

Zum Heiligen Jahr sagte Franziskus, es habe wohl "keine spektakulären Dinge" bewirkt, aber vieles angestoßen. "Ich glaube, der Herr wird gute, einfache, alltägliche Dinge im Leben der Menschen wachsen lassen", so der Papst.

 

Franziskus mit Häftlingen (dpa)
Franziskus mit Häftlingen / ( dpa )
Quelle:
DR , KNA