"Wer bin ich, dass ich über sie richten könnte?", hat Papst Franziskus im März 2013 nach seiner Wahl zum Kirchenoberhaupt über den Umgang mit Homosexuellen gesagt. Die Ansichten zu gleichgeschlechtlichen Partnerschaften und wiederverheirateten Geschiedenen sollten in den folgenden Jahren bei zwei Bischofssynoden über Ehe und Familie im Vatikan für erhebliche Konflikte sorgen.
Einheitliche Linie
In seinem mit Spannung erwarteten sogenannten postsynodalen Schreiben "Amoris Laetitia - über die Liebe in der Familie", das am Freitag vorgestellt wird, wird Franziskus nun versuchen, eine einheitliche Linie zu konstruieren. Dabei können die Schlussdokumente der Bischofssynoden, die beratende Funktion haben, als Grundlage dienen.
Ziel der Synoden im Oktober 2014 und 2015 einschließlich Befragungen von Gläubigen war, den Umgang der Kirche mit Familien und Partnerschaften, die dem katholischen Ideal nicht entsprechen, den Entwicklungen anzupassen. Bereits bei der ersten Familiensynode regte sich jedoch starker Widerstand gegen Veränderungen im Umgang mit Homosexualität und wiederverheirateten Geschiedenen. Liberal klingende Passagen im Zwischenbericht schafften es nicht in das Abschlussdokument. In der Zwischenbilanz war noch von der Wertschätzung homosexueller Paare die Rede gewesen, die Werte wie Treue und gegenseitige Solidarität lebten.
Beschwerdebrief an den Papst
Vor der zweiten Synode formierten sich die Gegner rund um den australischen Kurienkardinal George Pell. In einem Beschwerdebrief an den Papst äußerte der ehemalige Erzbischof von Sydney die Sorge, die Synode werde zugunsten reformerischer Kräfte manipuliert. Andere vertraten extreme Positionen: Ein Bischof aus Burkina Faso sagte, wiederverheiratete Geschiedene lebten in Polygamie. Und der Präfekt der vatikanischen Liturgiekongregation, Kardinal Robert Sarah aus Guinea, verglich Nazifaschismus und Kommunismus im 20. Jahrhundert mit westlichen "Homosexuellen- und Abtreibungsideologien und islamischem Fanatismus".
Für die andere Seite stand zum Beispiel der Berliner Erzbischof Heiner Koch. "Ist für Menschen, die unumkehrbare Brüche in ihrem Leben erlebt und erlitten haben, kein Platz am Tisch des Herrn?", stellte er eine der zentralen Fragen. Nicht wenige Menschen zögen sich nach einer Zurückweisung von der Kirche zurück, sagte er im Blick auf wiederverheiratete Geschiedene.
Warnung von Bischöfen deutscher Sprache
Die Bischöfe deutscher Sprache versuchten zum Abschluss, die unterschiedlichen Positionen zusammenzuführen. In ihrem Dokument warnten sie vor dem "Prinzip des alles oder nichts". Die Kirche müsse sich bemühen, "auch diejenigen Menschen zu begleiten und zu überzeugen, die in ihrer Lebensführung nur teilweise mit den Grundsätzen der Kirche übereinstimmen". Auch Kardinal Gerhard Ludwig Müller, eher ein Gegner von Veränderungen, räumte ein: "Man kann über die Bedingungen der einzelnen Fälle diskutieren, aber eine allgemeingültige Regelung ist nicht möglich."
Anfangs schienen die Synoden dazu zu dienen, die vom Papst gewünschte Anpassung des katholischen Familienbildes auf eine breitere Basis zu stellen. Doch der Abschlussbericht der zweiten Synode ging nicht mehr auf gleichgeschlechtliche Partnerschaften ein sondern nur auf Familien, "die die Erfahrung machen, dass in ihrer Mitte Menschen mit homosexueller Neigung leben". Jeder Mensch müsse in seiner Würde geachtet und mit Respekt aufgenommen werden, lautete die Kompromissformel.
Kein Durchbruch
Auch bei den wiederverheirateten Geschiedenen kam es nicht zum Durchbruch. Die betreffenden Fälle seien unter Beachtung der geltenden Normen zu behandeln und einzeln zu prüfen, empfahlen die Bischöfe dem Papst. Aus dem Abschlussbericht der ersten Synode hielt sich jedoch der Hinweis, Familien, die nicht dem katholischen Ideal entsprächen, seien nicht grundlegend zu verdammen. Vielmehr müssten sie zu einer Weiterentwicklung im Sinn einer kirchlich gültigen Ehe ermutigt werden, schrieben die Bischöfe.