Demütig und schlicht wie man es im Petersdom nur tun kann, hat der Papst am Sonntag den Palmsonntagsgottesdienst gefeiert. Im vordersten Teil der Kirche, vor dem Kathedra-Altar. Der Stuhl Petri, Symbol päpstlicher Macht, verdeckt von einem Vorhang mit dem römischen Pestkreuz aus der Kirche San Marcello davor. Statt der mächtigen Bronzesäulen des Bernini-Hauptaltares bildeten das lebensgroße Holzkruzifix mit dem leidenden Christus und die von den Römern verehrte Marien-Ikone "Salus populi romani" den optischen Mittelpunkt. Beide hatte Franziskus schon vor gut einer Woche zu seinem außergewöhnlichen Abendgebet auf dem leeren, verregneten Petersplatz holen lassen.
Als er vor sieben Jahren, elf Tage nach seiner Wahl, auf dem Petersplatz mit Zehntausenden Palmsonntag feierte, waren seine Stichwörter Freude und junge Menschen. An diesem Palmsonntag im Coronavirus-Jahr 2020 geht es um Verrat, Verlassenheit und Liebe. Franziskus predigt leise, hebt die Stimme nur leicht, wenn er von der "der dramatischen Situation der Pandemie" spricht, "angesichts so vieler Gewissheiten, die zerbröckeln, angesichts so vieler enttäuschter Erwartungen".
Die Liebe bleibt
"Das Drama, das wir gerade durchleben, drängt uns, die ernsten Dinge ernst zu nehmen und uns nicht in Belanglosigkeiten zu verlieren", so Franziskus weiter. "Wir dürfen das nicht verraten, wofür wir geschaffen wurden, und das nicht aufgeben, was zählt." Was zählt und bleibt, sind die Liebe und das Dienen, so das Kirchenoberhaupt mit Blick auf die Passion Jesu. Sein Blick sucht die kleine, versprengte Herde vor ihm: 14 Gläubige, jeder in einer eigenen Bank - Vatikan-Angestellte, Ordensfrauen, ein Bischof, ein Kardinal, eine achtköpfige Schola. Neben Franziskus sein Zeremoniar Guido Marini, ein Diakon, ein Lektor, eine Lektorin, wenige erwachsene Messdiener.
Auch wenn über den genauen Ablauf der weiteren Liturgien in den Kar- und Ostertagen wenig bekannt ist: Die Messe am Palmsonntag dürfte eine Vorlage sein. Erstmals feiert ein Papst die wichtigsten Feiertage der Christenheit ohne anwesende Gemeinde - wie weltweit andere Christen, Patriarchen und Bischöfe eingeschlossen, auch.
Kar- und Ostertage in Corona-Zeiten
Entfallen wird an Gründonnerstag die Chrisam-Messe zur Weihe heiliger Öle. Die Eucharistiefeier zur Erinnerung an das Letzte Abendmahl Jesu, die Franziskus in Haft- oder Betreuungseinrichtungen zu halten pflegte, findet in Sankt Peter statt. Dort ist am Karfreitag die Feier vom Leiden und Sterben Christi ungewöhnlich spät um 18.00 Uhr. Für die traditionellen Großen Fürbitten dieser Feier gibt es einen eigenen Einschub: "Für die Gequälten in der Pandemie, für all jene, die unter deren Folgen leiden: Möge Gott, der Vater, den Kranken Gesundheit, dem Gesundheitspersonal Stärke, den Familien Trost und allen Opfern, die gestorben sind, Erlösung gewähren."
Der abendliche Kreuzweg am Kolosseum, sonst einer der stimmungsvollen Höhepunkte der römischen Kar- und Ostertage, vollzieht sich auf den Stufen des Petersdoms. Die Feier der Osternacht begeht der Papst am Karsamstagabend um 21.00 Uhr in der Peterskirche, dort feiert er am Ostersonntag um 11.00 Uhr auch die Ostermesse; anschließend erteilt er erneut den Segen "Urbi et orbi".
Ostern über die Medien
Schon früher waren zu diesen Gelegenheiten Kameras und Mikrofone aus aller Welt auf den Papst gerichtet. Jetzt sind sie die einzigen Kanäle, über die Franziskus die Herzen erreichen will und muss. Was sagt, wie agiert der 83-Jährige, Oberhaupt von 1,3 Milliarden katholischen Christen, wenn er mit ihnen - verbunden per Video - zum Osterfest von Auferstehung sprechen soll?
Inzwischen fremdelt der Pfarrer-Papst, für den persönlicher Kontakt so wichtig ist, etwas weniger mit den Medien. War seine Einladung zum landesweiten Rosenkranzgebet Mitte März, irgendwo zwischen Tür und Angel aufgenommen, noch fahrig und unpersönlich, so findet er durch die täglichen Frühmessen doch zu einer angemessenen Form. Besonders eindrücklich das Abendgebet allein im Regen vor dem Petersdom. Trotz aller Widrigkeiten, lobte Christian Stückl, Regisseur der verschobenen Oberammergauer Passionsspiele, habe der Papst "signalisiert: Ich bin da, ich halte die Stellung hier auf dem Platz, auch wenn ich sie ganz allein halten muss". Daran solle er bei den Osterfeierlichkeiten anknüpfen.
Nach dem Abendgebet vor dem Petersdom gab es Kritik, weil das Holzkruzifix aus dem 16. Jahrhundert durch den Regen beschädigt worden war. Vielleicht aber wird sich die Aufregung um die Beschädigung einer kunsthistorischen Kostbarkeit legen. Ihre zusätzlichen Wunden werden spätere Generationen daran erinnern: Dies geschah, als während der Coronavirus-Pandemie anno 2020 ein Papst erstmals auf dem leeren Petersplatz den Segen "Urbi et orbi" spendete - als Franziskus aus Argentinien die Kirche durch ein spirituelles und liturgisches Feldlazarett führte.