Franziskus ruft Katholiken in Kanada zu Aufarbeitung auf

"Wunden der Vergangenheit heilen"

Der Papst hat Kanadas Katholiken aufgefordert, sich den dunklen Seiten ihrer Geschichte zu stellen und den mühsamen Weg von Versöhnung und Heilung zu beschreiten. Er bezog sich dabei auf das Unrechtssystem der Residential Schools.

Der Papst bei einer Messe im Wallfahrtsort Sainte-Anne-de-Beaupre / © Paul Haring/CNS photo (KNA)
Der Papst bei einer Messe im Wallfahrtsort Sainte-Anne-de-Beaupre / © Paul Haring/CNS photo ( KNA )

"Warum ist das passiert? Wie konnte das passieren?" Dies seien brennende Fragen, denen man sich stellen müsse, so Franziskus am Donnerstagvormittag (Ortszeit) bei einer Messe im Wallfahrtsort Sainte-Anne-de-Beaupre. Der Papst bezog sich dabei auch auf das Hauptthema seiner "Buß-Reise", das Unrechtssystem der kanadischen Residential Schools und die Verwicklung der Kirche darin.

Papst an Indigene: Kirche kniet nieder und bittet um Vergebung

Papst Franziskus hat mit einer ausführlichen Vergebungsbitte an Indigene seine "Bußwallfahrt" in Kanada begonnen. "Ich bitte demütig um Vergebung für das Böse, das von so vielen Christen an den indigenen Bevölkerungen begangen wurde", sagte das katholische Kirchenoberhaupt am Montagvormittag (Ortszeit) vor Überlebenden früherer "Residential Schools" auf dem Gelände einer der größten dieser Internatsschulen in Maskwacis/Alberta.

Papst Franziskus betet auf dem Friedhof der Ermineskin Cree Nation zwischen den Gräbern der Schüler der Ermineskin Indian Residential School. / © Paul Haring (dpa)
Papst Franziskus betet auf dem Friedhof der Ermineskin Cree Nation zwischen den Gräbern der Schüler der Ermineskin Indian Residential School. / © Paul Haring ( dpa )

Vor rund 7.000 Gläubigen in und vor der Basilika warnte der Papst davor, bei Misserfolgen wegzulaufen und sich ihnen nicht zu stellen. Eine solche Versuchung wolle glauben machen, "dass das Scheitern nun endgültig ist". Auch seien allgemeine Mutmach-Worte, Gelegenheitsfloskeln und oberflächliche Tröstungen keine Art, sich Unrecht und Leid zu stellen. Vielmehr müsse jeder sich selbst fragen, was er tun könne auf dem Weg zu einer "gerechteren und geschwisterlicheren Gesellschaft".

Die Lehre Jesu weise einen Weg, die "Wunden der Vergangenheit zu heilen" und sich "mit Gott und untereinander zu versöhnen". Daher dürften in den anstehenden Fragen, Kämpfen und seelsorglichen Aktivitäten "nicht wir selbst und unser Versagen" in den Mittelpunkt gestellt werden, sondern es gehe um Jesus Christus. Sowohl die Bibel wie auch die Geschichte zeigen laut Franziskus zudem, dass bei Versöhnung und Heilung Frauen eine wesentliche Rolle spielen.

"Widerruft die Doktrin!"

Zu Beginn des Gottesdienstes kam es zu einem Zwischenfall: Beim Einzug der Bischöfe hielten zwei indigene Frauen ein Transparent hoch mit der Aufschrift "Rescind the doctrine!" (Widerruft die Doktrin!). Die frühere kirchliche "Doktrin der Entdeckung" hatte Europas Kolonialherrschern einen Vorwand zur Enteignung und Entrechtung indigener Völker geliefert und floss in staatliche Gesetzgebung und Rechtsprechung ein. Franziskus hat sich dazu bisher nicht geäußert.

An der Messe mit dem Papst nahm auch Kanadas Regierungschef Justin Trudeau teil. Sainte-Anne-de-Beaupre, 30 Kilometer nordwestlich von Quebec am Ufer des Sankt-Lorenz-Stroms, gilt als Kanadas Nationalheiligtum und ältester katholischer Wallfahrtsort Nordamerikas. Die Kirche ist der heiligen Anna, der Mutter Marias und Patronin der Provinz Quebec geweiht. Jährlich kommen rund eine Million Menschen dorthin.

 

Quelle:
KNA