Die Latte der Erwartungen liegt dennoch hoch. Papst Franziskus mahnte wiederholt, die Rolle von Frauen in der Kirche und auch im Vatikan zu stärken. Jetzt haben sie ihre eigene publizistische Plattform - auf
40 Seiten, monatlich und in Farbe.
Programmatisch das Thema der Erstausgabe: Die Heimsuchung. Die Begegnung Mariens mit ihrer schwangeren Verwandten Elisabeth, die in das "Magnificat" mündet, die hymnische Heilsansage für Israel und die Völker: "Frauen, die ans Licht bringen und der Welt kundtun, was andere Frauen zu sagen haben" - so umreißt die Historikerin Lucetta Scaraffia, Schriftleiterin des neuen Magazins, das Projekt.
"Intellektuelle Revolution"
Nach Darstellung von Scaraffia speist sich die publizistische Idee aus der "intellektuellen Revolution, die Frauen in der katholischen Kultur seit Beginn des vergangenen Jahrhunderts vollbracht haben", vor allem aber in den Jahrzehnten nach dem Konzil. Sofern damit die Emanzipation mitgemeint ist, hat die Zeitschrift durchaus den Papst hinter sich, der in "Amoris laetitia" die Anerkennung von Frauenrechten "ein Werk des Heiligen Geistes" nennt - auch wenn, was nicht gutzuheißen sei, der Feminismus stellenweise ins Kraut schieße.
Letzteres steht beim Spross des "Osservatore" nicht unmittelbar zu befürchten. Scaraffia zählt seit Jahren zum festen Autorenkreis der Papstzeitung; ihre künftige Mitherausgeberin Giulia Galeotti verantwortet dort die Kulturseite. Das Redaktionsteam bilden weiter die Ordensfrauen und Theologinnen Catherine Aubin und Rita Mboshu Kongo, die jüdische Historikerin Anna Foa und die "Osservatore"-Journalistin Silvina Perez. Beiträge des Magazins stammen etwa von Barbara Hallensleben oder der Focolar-Leiterin Maria Voce - allesamt keine Brandstifterinnen.
Dabei hatte die März-Beilage von "Frau - Kirche - Welt" mit Vorschlägen zu einer Predigterlaubnis für Frauen unerwartete Resonanz gefunden. Der Theologe Enzo Bianchi stellte später im "Osservatore"
klar: Er und zwei Autorinnen hätten keinesfalls der kirchlichen Lehre widersprechen, sondern nur die Frage nach einer möglichen Revision des geltenden Predigtverbots für Laien stellen wollen.
Keine kontroversen Themen
Auf kontroverse Themen verzichtet die Startausgabe des Magazins. Ein Interview mit der Priorin der Kleinen Schwestern Jesu in Rom, ein Beitrag der lutherischen Theologin Elisabeth Parmentier über Maria und Elisabeth in ökumenischer Sicht, Artikel über die Heilige des Monats und die alttestamentliche Gestalt der Debora. Der Schwerpunkt liegt auf dem Spirituellen.
Den "anderen Blick" von Frauen will das Magazin in der Kirche zur Geltung bringen. Die Zeit dafür sei nach den gesellschaftlichen Entwicklungen der vergangenen Jahrzehnte reif, glaubt Scaraffia: "Es war eine verborgene Revolution, fast übersehen im Innern der Kirche." Ob die leisen Töne Gehör finden, steht dahin.