Freispruch für sudanesische Christin

Keine Todesstrafe, keine Peitschenhiebe

Sudan: Im Gefängnis brachte sie ihr zweites Kind zur Welt und wartete auf die Todesstrafe. Jetzt wurde die Christin Meriam Yahia Ibrahim überraschend freigelassen. Max Klingberg von der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte im domradio.de-Interview.

Die sudanesische Christin Meriam Yahia Ibrahim  (dpa)
Die sudanesische Christin Meriam Yahia Ibrahim / ( dpa )

domradio.de: Erst tat sich wochenlang nichts. Jetzt auf einmal der Freispruch, wie ist das zu erklären?

Klingberg: Wir von der IGFM sind fest davon überzeugt, dass ausschließlich der internationale Druck dazu geführt hat. An dem Rechtssystem im Sudan hat sich nichts geändert. Das Berufungsgericht hat es nicht mal für nötig befunden, eine Urteilsbegründung mitzuliefern. Das riecht, nach unserer Erfahrung, danach, dass da politischer Druck ausgeübt worden ist. Und die sudanesische Regierung quasi dieses Feigenblatt als Gesichtswahrung zur Freilassung von der Sudanesin angeordnet hat.

domradio.de: Sie sprechen von internationalem Druck. Gibt es denn irgendwelche Quellen, die das belegen?  

Klingberg: Es gibt Indizien, die das belegen. Erstens dieses außerordentlich schnelle Urteil. Normalerweise, gerade in solchen Fällen, dauern Berufungsverfahren quälend lange. Und normalerweise liefern sudanesische Gerichte, wie überall in der Welt, Urteilsbegründungen. Die zum ersten Urteil, wo die Todesstrafe verhängt worden ist und die hundert Peitschenhiebe wegen angeblicher Unzucht, da gab es eine Urteilsbegründung. Denn sowohl die Todesstrafe wegen angeblichen Abfalls vom Islam, als auch die hundert Peitschenhiebe wegen angeblicher Unzucht sind haargenau deckungsgleich mit dem klassischen, islamischen Recht. Da haben sich die Richter nicht geschämt, das islamische Recht in der Urteilsbegründung darzulegen. Hier aber gibt es die nicht. Warum sollte das der Fall sein, wenn es nicht politischen Druck gegeben hat?

domradio.de: Das heißt, wenn ich Sie richtig verstehe, mit der Freilassung von frau Ibrahim ist das Problem nicht beseitigt im Sudan. Was müsste stattdessen noch geschehen?

Klingberg: Ganz genau richtig. Das Problem ist kein bisschen beseitigt. Wir freuen uns sehr, dass Meriam, diese Sudanesin, frei ist mit ihren zwei kleinen Kindern. Aber das Grundproblem gibt es nach wie vor. Und das Grundproblem ist, dass Staaten wie der Sudan das islamische Recht über internationale Menschenrechtsverträge stellen. Wohlgemerkt: Verträge - völkerrechtlich bindende Verträge, die diese Staaten aus freien Stücken eingegangen sind. Zu den Vertragsstaaten gehört zum Beispiel auch Deutschland. Die werden ignoriert mit Verweis darauf, dass das islamische Recht über allem anderen Recht steht. Mit dieser Begründung werden Frauen entrechtet, werden Minderheiten entrechtet, werden Todesurteile wegen Abfall vom Islam, oder Auspeitschungen und ähnliches verhängt.

domradio.de: Heißt das, wenn das Verträge, denen auch Deutschland zugestimmt hat, könnte auch die deutsche Regierung oder die EU etwas tun?

Klingberg: Das fordert die IGFM seit langem, dass die deutsche Regierung und dass die Europäische Union vehement Vertragserfüllung fordern, denn wir sind Vertragsstaat, diese Länder wie zum Beispiel Sudan sind Vertragsstaaten und wir sehen zu, wie ständig diese Verträge gebrochen werden, wie Christen diskriminiert werden, wie Frauen entmündigt, eingeschränkt werden, wie internationales Völkerrecht verletzt wird. Wir müssten auf den Tisch hauen und sagen, wir erfüllen diese Menschenrechtsverträge, ihr seid genauso Vertragsstaat wie wir - wir wollen einfach Vertragserfüllung. Und dann muss man das nach und nach stark einfordern und dafür sorgen, dass das auch wirklich umgesetzt wird. Im Moment schweigen die europäischen Regierungen.

Das Gespräch führte Matthias Friebe.


Quelle:
DR