Freitag, 11. Juli (ergänzt)

Teil 8 - Auf zum ersten Riesenfest

Das ist schon eigentümlich, wenn man morgens "down under" am anderen Ende der Welt seinen australischen Computer mit dem "intel inside" Aufkleber hochfährt und die Windows xp-Farben, dann den Bildschirmschoner mit dem sanften grünen Hügel und dem strahlend blauen Himmel sieht. Man könnte meinen, dass man in Köln im Büro sitzt. In Australien also alles wie zuhause?

 (DR)

Unser Ziel heute. Die Telstra Arena mitten in Melbourne. Dort feiern am Nachmittag über 50 000 Weltjugendtagspilger aus Melbourne ein gemeinsames Fest. Die Zeit bis es losgeht, nutze ich mit einer Stadtrundfahrt, eine kostenlose Runde mit der alten Tram aus Holz.

Melbourne City ist wie ein Schachbrett angelegt, man kann sich schnell orientieren und weit durch die Straßen schauen, zum Beispiel in Richtung Hafen. Es geht leicht auf und ab, und wenn man bergauf guckt, verschwinden die Autos einfach so oben am Horizont. Im Winter pfeift der Wind kalt und unwirtlich durch die Hochhausschluchten. Die Tonbandstimme erzählt mir, dass wir an einem der ältesten Häuser Sydneys vorbei fahren - aus dem Jahr 1850! Mein Gott, denke ich, wie viel älter ist da der Kölner Dom, gar nicht vorzustellen, was hier wohl los war, als die Römer bereits in Colonia in Saus und Braus lebten. Überall in der Stadt sehe ich Pilger, schon auf dem Weg zum Telstra Dom. Da springt eine Gruppe Spanier aus der Bahn und fährt eine meterlange Fieberglasangel aus, die Flaggen werden gehisst. Die Vorbereitungen beginnen.

Der Telstra Dome, so heißt die Arena,  ist leicht zu finden. Man muss nur den Pilgerströmen folgen. Ich schließe mich einer Gruppe aus Südafrika in orangen T-Shirts an. „Ich möchte mehr über Gott lernen und ihm näher kommen", fasst Daniela ihre Erwartungen für Australien zusammen. Sie kommt aus Johannesburg und ist 19 Jahre alt. „Afrika has a lot of problems", erzählt sie: „Die Politiker haben versagt. Ohne Spiritualität und den Glauben an Gott lassen sich unsere Probleme nicht lösen. Without believe - no peace", ist sie überzeugt: „We are all one family".

Im Telstra Dome nutze ich den Presseaufgang, fünfter Stock, Ebene C. An den VIP Firmen-Logen geht es vorbei zu den Reporterboxen, hoch unter dem Dach hat man einen erstklassigen Überblick. Wie eine überdachte Schalke Arena sieht die gigantische Halle aus - wahrscheinlich ist sie noch größer. Schließlich werden heute über 50 000 Pilger erwartet. Der Einlass hat gerade erst begonnen, aber man kann schon etwas von der Atmosphäre erahnen, die hier gleich herrschen wird. In Höhe des Anstoßkreises steht die viereckige Bühne, mitten in einem Kreuz, das über weite Teile des Kunstrasens mit hell blauen Teppichen ausgelegt ist. An den Rändern mit rosaroten Leuchtstoffröhren markiert, zieht es alle Blicke auf sich. In den vier Ecken der Arena stehen haushohe beleuchtete Erdkugeln. Lichtkegel sausen durch die dunkle Halle. Die ersten Gruppen machen ihren eigenen Aircheck, man hört vereinzelte Trompeten und Gesänge.

Obwohl ich in der Reporterbox einen großartigen Überblick habe, beschließe ich wieder nach unten zu gehen. Dort bin ich einfach näher an den Pilgern, dort ist die Atmosphäre besser und dort treffe ich Fernanda. Sie kommt aus Brasilien und tanzt mit ihren Freunden vor der Arena: „It is an amazing experience", schwärmt sie: „Everything here is good. When it will finish, I will cry"! Fernanda ist 18 Jahre alt, attraktiv, strahlt Charme und Freude aus. Kann sie in allem der katholischen Kirche zustimmen? „No", antwortet sie sofort, erklärt dann aber: „Ich bin doch erst 18 Jahre alt. Vielleicht verstehe ich einfach viele Dinge nicht, mit denen ich jetzt nicht einverstanden bin. Wenn ich älter bin, werde ich damit vielleicht aber einverstanden sein? Wer weiß das schon?" Und dann möchte sie mit mir in ihrer Heimatsprache portugiesisch weiter diskutieren, aber ich spreche nicht portugiesisch, also versucht sie es noch einmal auf Englisch: „Why could be a woman not a priest? I think the church will think in future about that". Aber von solchen Diskussionen will sich Fernanda jetzt nicht die gute Laune verderben lassen: "It does not matter now," ruft sie und tanzt mit ihrer Gruppe weiter.

Fahnen, überall Fahnen. Viele kenne ich gar nicht und frage. Aha, Kuwait, Sudan, Puerto Rico. Die aber kenne ich, Stars an Stripes, US-Amerika. Dan kommt mit gut einem dutzend anderer junger Männer, alle in schwarzer Soutane, auf mich zu. Sie kommen aus Wisconcin, alles Priesteramtskandidaten. Dan ist 19 Jahre alt: „Young people feel under attack from the modern world", sagt er: „Jesus will guide us and bring justice". Die katholische Kirche müsse ein Vorbild für andere Religionen sein, das ist sein Ziel: „Damit Religionen der Welt Frieden und Gerechtigkeit bringen". Dan sprüht vor Selbstbewusstsein. Ihn scheint nichts erschüttern zu können.

"Welcome bishops of the World", eine Laserschrift wandert in der Arena über den Kunstrasen, unterbrochen von betenden Händen, einer Friedenstaube, dem Bischofsstab und der Mitra - bewegte Lichtbilder, blinkendes Lichtspektakel auf dem grünen Hallenboden. In langer Reihe, würdig schreitend, ziehen nun die über 50 Bischöfe und 20 Kardinäle zur Heiligen Messe in die Arena ein. Um sie herum blaue Scheinwerfer, viel Weihrauch, ein Glockenspiel. Die Halle ist fast voll. Noch vor wenigen Minuten tobten die jungen Pilger auf den Sitzen, zogen Fahnen über ihre Köpfe, übten Laola. Jetzt ist es still, alle sind aufgestanden. Besonders beeindruckend die 2000 Priester in ihren weißen Gewändern, dicht stehen sie zusammen - in einem Block, weiß, fromm und würdig.

„There is a tremendous hope - here in Melbourne," predigt Erzbischof Denis Hart: "Ihr macht uns hier soviel Mut!" Bilder von Papst Benedikt erscheinen auf den vier großen Erdkugeln in den vier Ecken der Halle, unterbrochen von Mariendarstellungen und Filmeinspielungen mit Bildern von Pilgern aus dem Publikum.

Die Italiener sind schlau. Die haben sich mit dicken blauen Weltjugendtagponchos ausgerüstet. Am Bahnsteig von Southern Cross warten Tausende Jugendliche auf ihre Bahn nach Hause. Es ist kalt. Warten im eisigen Wind auf die S-Bahnen. Das Gedränge erinnert aber auch an den Weltjugendtag in Köln, natürlich nicht in dem Ausmaß - der Bahnhof muss hier nicht gesperrt werden. Alle rücken etwas auf, dann geht das schon. Und die Kälte wird einfach weg gesungen: „Halleluja. Receive the power, from the holy spirit". Das Mottolied des Weltjugendtags.

Auch die Bilder aus der Arena wirken noch nach, die Lichteffekte, die lange und langsam schreitende Reihe der Priester, ganz in schneeweiß, begleitet von gleißendem Scheinwerferlicht, eine strahlende Prozession durch die dunkle Halle. Dann das Bild des winkenden Papstes auf der Weltkugel - und natürlich die Lieder, das Mottolied, längst ein Ohrwurm. Father Eugene hat sich für den Weltjugendtag etwas Besonderes einfallen lassen. Für die Messe in der Arena hat er Hosenträger aufgetrieben - mit gelben Smiley Gesichtern. Und wie er jetzt selbst vergnügt lachend zurück nach Hause geht. „Ihr macht uns hier Mut", hat Erzbischof Hart gesagt und: „Der wichtigste Botschafter für den Glauben ist die Jugend." In Melbourne hat die Glaubens Party längst angefangen. Wie soll das jetzt erst in Sydney werden?