Die neunte Sinfonie gilt als Höhepunkt des kompositorischen Schaffens von Ludwig van Beethoven. Entstanden zwischen 1822 und 1824 – wenige Jahre vor seinem Tod – hat sie mit dem grandiosen Chorfinale von Schillers "Ode an die Freude" die Musikgeschichte nachhaltig beeinflusst. Denn erstmalig setzte Beethoven in einer Sinfonie die menschliche Stimme als Instrument ein. Er selbst konnte die Vollendung seines vermutlich berühmtesten Werkes allerdings nicht mehr hören. Schon viele Jahre zuvor war er vollständig ertaubt, so dass der sich über zwei Jahre erstreckende Kompositionsprozess als der eines Musikgenies gelten kann.
Nun bringen rund 100 Sängerinnen und Sänger aller vier Chöre am Kölner Dom mit der Staatskapelle Weimar unter der Leitung von Michael Sanderling diese bedeutende Komposition in d-Moll, deren Schlusssatz Domkapellmeister Eberhard Metternich mit den Mitgliedern der Domchöre einstudiert hat, an diesem Freitag in der Kölner Philharmonie auf die Bühne. Was die Kölner Dommusik damit als eine Art persönlichen Auftakt zu den offiziellen Feierlichkeiten zum Beethoven-Jahr versteht, zumal das eigentliche Fest mit zahlreichen Gedenkveranstaltungen und hochkarätigen Konzerten vor allem in Bonn, der Geburtsstadt Beethovens, verortet ist.
Kent Nagano dirigiert im Dom die "Missa solemnis"
Trotzdem findet dann im Verlauf des Beethoven-Jahres eines der bedeutendsten Konzerte, die Aufführung der "Missa solemnis" mit dem Vokalensemble Kölner Dom und Concerto Köln unter der Leitung von Kent Nagano, am 21. August im Kölner Dom statt und markiert damit einen der Höhepunkte des umfangreichen Jubiläumsprogramms. Eine weitere Hommage an den weltweit meistgespielten Komponisten, der ab 1792 als Klaviervirtuose in Wien Karriere macht, wo er zunächst bei Joseph Haydn, später dann auch bei Antonio Salieri Kompositionsunterricht nimmt und schließlich als Wegbereiter der Romantik gilt, ist auch die C-Dur-Messe Beethovens. Sie gehört seit Jahren zum festen Repertoire der Dommusik und wird am 22. November von der Domkantorei Köln unter Winfried Krane während des Sonntagsgottesdienstes im Dom gesungen. Gleichzeitig begeht dieser Erwachsenenchor am Kölner Dom damit sein 25-jähriges Bestehen in diesem Jahr. Zusätzlich aber führt Chorleiter Krane die Messe für Chor, Solisten und Orchester auch schon mit Schülern am 1. März auf: zum Abschluss der Erzbischöflichen Musiktage, die er traditionell für die höheren Jahrgangsstufen Erzbischöflicher Schulen zwischen Aschermittwoch und dem ersten Fastensonntag in Altenberg veranstaltet.
Die "Neunte" ist ein Schlüsselwerk sinfonischer Musik
"Die Einladung der Staatskapelle Weimar zur Mitwirkung bei der neunten Sinfonie zu Beginn des Jahres bereitet uns in gewisser Weise den Weg, uns musikalisch in diesem Jahr sehr gezielt mit Beethoven auseinanderzusetzen", erklärt Dommusik-Leiter Metternich. Hinzu komme, dass selbst den jüngsten Sängerinnen und Sängern natürlich das Hauptmotiv des Finales aus zahlreichen Kontexten bekannt sei und sie nun die Chance hätten, sich einmal mit seiner originären Herkunft und im Zusammenhang mit einer sehr komplexen Komposition zu beschäftigen. "Schließlich ist ‚Freude schöner Götterfunken’ als Europahymne zum Leitmotiv für Frieden und Völkerverständigung geworden."
Dass weltweit Beethovens "Neunte" immer zu besonderen – vor allem auch historischen – Anlässen gespielt wird, unterstreicht ihre Bedeutung für den internationalen Kulturdialog. 1972 wurde das Hauptthema des letzten Satzes vom Europarat zu seiner Hymne erklärt und 1985 von der Europäischen Gemeinschaft als offizielle Europahymne eingeführt. In der Begründung heißt es, "sie versinnbildliche die Werte, die alle teilen, sowie die Einheit in der Vielfalt". Im Europaparlament erklingt die Hymne bis heute ohne Text – als ein parlamentarisches "Lied ohne Worte". Die UNESCO nahm das Autograph dieser Sinfonie im Jahr 2001 in das internationale Register des "Memory of the World"-Programms auf. Der größte Teil der Handschrift gehört zur Beethovensammlung der Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz. Ergänzende Teile befinden sich im Beethoven-Haus in Bonn sowie in der Bibliothèque Nationale in Paris.
Beethoven fand in Schiller einen Seelenverwandten
Diese Sinfonie ist nicht einfach nur großartige Musik. Sie ist darüber hinaus ein Schlüsselwerk der sinfonischen Musik, mit dem Beethoven durchaus auch musikalische Gesetzmäßigkeiten sprengte und bewusst Grenzen überschritt. An ihr kam in der Folgezeit kein Komponist vorbei, ohne sich mit der Komplexität dieses Werkes auseinanderzusetzen. Namentlich die große Sinfonik der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wäre ohne sie so nicht denkbar. Doch zu Lebzeiten erntete Beethoven für die letzte seiner großen Sinfonien nicht nur Lob. Ein Kritiker der Uraufführung hörte darin "wild lärmenden ungeheuren Spott", Richard Wagner dagegen den "Schrei der universellen Menschenliebe".
Der Idealismus des Poeten Friedrich Schiller war Beethoven sehr nahe. Schon lange, bevor es zu dieser Textadaption kam, hatte der Komponist über eine Schiller-Ouvertüre unter Einbeziehung der Ode "An die Freude" nachgedacht und sich dazu auch geäußert, diese Verse vertonen zu wollen – "und zwar jede Strophe, groß und erhaben". In dem geistigen Zusammenwirken mit dem seelenverwandten Dichter schwebte ihm ein "Gesamtkunstwerk" von idealem, Gemeinschaft stiftenden Wert vor. Und in der Tat: In der legendär gewordenen "Neunten" triumphiert auch jenseits des revolutionären Chorfinales mit seiner die Menschen verbindenden Botschaft die sinfonische Form über alles zuvor Gehörte.