Trocken stellte bereits vor 50 Jahren der Mainzer Kirchenrechtler Georg May fest, dass ein "auffälliges Missverhältnis zwischen der öffentlichen Stellung der Hirten und ihrer Fähigkeit, sie auszufüllen, Antiklerikalismus und Demokratisierungstendenzen" erzeugen.
Eine Problematik, die in nicht wenigen Diözesen zu Spannungen führen kann und mittlerweile immer häufiger vatikanische Eingriffe zur Folge hat. Doch Rom tut sich schwer damit. Ein Beispiel dafür bietet derzeit das elsässische Erzbistum Straßburg.
Es rumort seit Jahren
Als kurz vor Ostern in der weltberühmten Kathedrale die Chrisammesse gefeiert werden sollte, wurde Erzbischof Luc Ravel (65) von Demonstranten begrüßt. Ein ungewöhnliches Bild für französische Katholiken. Doch bereits seit Jahren rumort es in dem elsässischen Erzbistum, was vordergründig am 'autoritären' Führungsstil des vormaligen französischen Militärbischofs liegen soll.
Zuletzt degradierte er Weihbischof Christian Kratz (70) - indem er diesem die Entlassungsurkunde unter die Tür geschoben haben soll, wie "La Croix" berichtet.
Bereits im Sommer letzten Jahres hatte der Heilige Stuhl den früheren Sprecher der Französischen Bischofskonferenz, Bischof Stanislas Lalanne von Pontoise, mit einer Visitation des Erzbistums betraut.
Ihm stand der emeritierte Sekretär der vatikanischen Klerusbehörde, Joel Mercier, zur Seite. Offiziell ließ der Vatikan mitteilen, gehe es um "Informationen, die der Heilige Stuhl erhalten hat und die die pastorale Leitung der Erzdiözese betreffen".
Autoritärer Leitungsstil des Erzbischofs
Von progressiven Katholiken wird neben dem autoritären Leitungsstil des Erzbischofs auch Kritik an der Förderung traditioneller Gruppierungen geübt. So die Errichtung von Niederlassungen einer Ordensgemeinschaft, die sich pastoral auch der Missionierung von Muslimen verschreibt. Ein Thema, mit dem der Erzbischof bereits zu seiner Ankunft im Elsass 2017 polarisierte.
Damals mischte er sich in die Debatte um den "Bevölkerungsaustausch" (Grand replacement) ein; dem umstrittenen Begriff für ein vermeintliches Aussterben der Franzosen angesichts des Ersatzes durch nordafrikanische Einwanderer konnte Ravel offenbar einiges abgewinnen.
Entscheidender für den Anlass der Visitation dürfte jedoch der selbstbewusste Klerus gewesen sein, den Ravel nicht für sich gewinnen konnte. Die Beschwerden der Priester über den Amtsstil Ravels waren unüberhörbar geworden. Unter anderem warfen sie ihm Missmanagement der für französische Verhältnisse äußerst reichen Diözese vor. Die Ergebnisse der Visitatoren sollen Medienberichten zufolge vernichtend ausgefallen sein.
Um seine Absetzung zu verhindern, soll laut Beobachtern der Erzbischof sich die Gepflogenheiten des napoleonischen Konkordats zunutze gemacht haben, um sich mit dem Papst ein "Katz-und-Maus-Spiel" zu erlauben. Aufgrund seiner guten Verbindungen in den Elysee-Palast glaubte Ravel durch eine Intervention Emanuel Macrons seiner Absetzung zuvorzukommen. Nach dieser Herausforderung bestand der Papst Berichten zufolge auf einem Demissionsangebot Ravels.
Was plant der Vatikan?
Dieses, so stellte sich heraus, war jedoch so zweideutig abgefasst, dass es für den Heiligen Stuhl unbrauchbar ist. Denn das Konkordat sieht für Ernennung und Rücktritt der Bischöfe von Straßburg und Metz ein umständliches Verfahren vor, demzufolge auf Vorschlag des Papstes hin letztlich der Präsident der Republik den Kandidaten zum Bischof ernennt.
In Rom soll man Berichten zufolge die Ernennung von Weihbischof Kratz zum Apostolischen Administrator in den Blick genommen haben. So würde Ravel formal Erzbischof bleiben, die Verwaltung der Diözese läge aber in pastoral umsichtigen Händen. Doch dies wollte Ravel offenbar vorerst vereiteln, in dem er ihm unter Vorwänden die Delegationen entzog und ihn aus dem Bischofsrat entfernte.
Der katholischen Zeitung "La Croix" verriet der degradierte Weihbischof, er sei entlassen worden wegen Fehlern im Umgang mit einem des Missbrauchs beschuldigten Priesters, der später Suizid beging. Er selbst sei jedoch nicht zuständig gewesen.
Beobachter sehen den Erzbischof unterdessen auf einem Rachefeldzug, dem offenbar auch der Nuntius in Paris bislang keinen Einhalt gebieten konnte. So hängt einmal mehr ein großes Erzbistum in Europa ein Jahr nach einer Apostolischen Visitation in der Schwebe. Die Hoffnung auf eine schnelle Klärung haben sich nicht nur hier zerschlagen.