Als alle 11.263 Farbquadrate endlich an ihrem Platz waren, suchte Gerhard Richter nach den passenden Worten. "Das Ganze ist so toll und ich bin ein bisschen überwältigt", sagte der weltweit gefragte Gegenwartskünstler über "sein Fenster" im Kölner Dom. "Der internationale Neid und die Gratulation ist sehr groß", gibt Schock-Werner zum Jubiläum bekannt. Tatsächlich treffen sich in dem Werk zwei Superlative: Gerhard Richter, als Picasso des 21. Jahrhunderts gefeiert, ist bekannt für seine abstrakte Kunst. Die Domgeschichte ist dagegen schon rund 800 Jahre alt und der gotische Prachtbau UNESCO-Weltkulturerbe.
"Der Dom hat einen anderen Ewigkeitsanspruch als ein Museum"
Der heute 80-jährige Richter hat sich selbst ein Denkmal gesetzt. "Der Dom hat einen anderen Ewigkeitsanspruch als ein Museum", sagt der Leiter des Gerhard-Richter-Archivs, Dietmar Elger. Das rund 100 Quadratmeter große Fenster im Südquerhaus erinnert an eine Farbtafel aus unzähligen Pixeln. Jedes Quadrat ist 9,7 Zentimeter mal 9,7 Zentimeter groß, die Anordnung der einzelnen Gläser mit 72 verschiedenen Farbtönen wurde von einem Computer errechnet.
Das vorherige Fenster war der Bombardierung Kölns im Zweiten Weltkrieg zum Opfer gefallen. Als Ersatz war provisorisch ein vollkommen weißes Fenster eingesetzt worden. Mit dem Effekt, dass zu viel Licht in den dunklen Dom fiel und Gläubige wie von einem Scheinwerfer geblendet wurden. Ein farbiges Fenster war gewünscht.
Domkapitel dachte zunächst an Märtyrerdarstellung
Doch Richters Entwurf war nicht die erste Wahl. Stattdessen wollte das Domkapitel eine sakrale Darstellung mit sechs Märtyrern des 20. Jahrhunderts. "Figürliche Glasmalerei in dieser Form auf hohem Niveau gibt es seit 20 Jahren nicht mehr", sagt Schock-Werner. Letztendlich fiel die Wahl auf Richters Arbeit. Der Künstler, der seit Jahren in Köln lebt und inzwischen ebenso zur Stadt gehört wie der Dom, verzichtete auf sein Honorar. Die Kosten in Höhe von mehr als 300.000 Euro wurden durch Spenden beglichen.
Dem Erzbistum Köln war der abstrakte Entwurf zu Beginn ein Dorn im Auge. Der Kölner Erzbischof Joachim Kardinal Meisner meinte, dass das Werk genauso gut in eine Moschee oder eine Bahnhofsvorhalle passe. Bürger schrieben erboste Briefe an Dombaumeisterin Schock-Werner, in denen das Fenster mit dem Katalog eines Fliesenlegers verglichen wurde.
Kardinal Meisner hat Fenster im Blick
Heute sind die meisten Skeptiker gelassen. "Das Thema ist längst abgehakt", sagt der Sprecher des Erzbistums, Christoph Heckeley. Es gebe wichtigere Dinge als das Fenster. Kardinal Meisner habe seinen Bischofsstuhl im Dom genau gegenüber dem Fenster. Der Blick darauf sei heute ganz normal.
Doch selbst Schock-Werner und Richter hatten Bedenken. "Natürlich hatten wir beide, Richter und ich, Bauchschmerzen, wie es aussieht, wenn es endlich fertig ist", sagt Schock-Werner. "Wir hatten niemals einen Eindruck von dem Ganzen."
Schock-Werner, die aus ihrer Dienstwohnung auf das Fenster blicken kann, hat sich auch fünf Jahre nach der Einweihung noch nicht sattgesehen. "Es leuchtet ja auch, wenn es draußen trüb ist", sagt sie. Im Nebel des Weihrauchs bildeten sich farbige Strahlen. "Das hat einen fantastischen Effekt."
Fünf Jahre Richter-Fenster im Kölner Dom
Umstritten, geliebt, gewagt
Das abstrakte bunte Glasfenster des Kölner Doms von Gerhard Richter hat die Gemüter schon zur Zeit seiner Entstehung erhitzt. Inzwischen zieht das gewagte Farbexperiment im Südquerhaus jährlich Millionen von Besuchern in seinen Bann. "Wir sind sehr glücklich mit dem Fenster", sagt Dombaumeisterin Barbara Schock-Werner. Vor genau fünf Jahren ist das Fenster eingeweiht worden.
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