DOMRADIO.DE: Auch die Hilfsorganisation "Brot für die Welt" ist Teil des Bündnisses, das für das Wochenende in Berlin zu Protesten anlässlich der Grünen Woche aufgerufen hat. Was fordern Sie von der Politik?
Stig Tanzmann (Brot für die Welt): Wir fordern eine entwicklungsgerechte Agrarpolitik - dass unsere Probleme hier in Europa nicht mehr auf Kosten des Südens gelöst werden und dass keine offensive Agrarhandelspolitik mehr betrieben wird, wie sie ja jetzt mit dem Mercosur-Abkommen (Das Assoziierungsabkommen zwischen der Europäischen Union und den Staaten des MERCOSUR – Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay – beinhaltet Bestimmungen zu politischem Dialog, Kooperation und Handel, Anm. d. Red.) nochmal ganz deutlich wird. Damit werden Märkte in Lateinamerika aber auch in Europa geöffnet und ein noch größerer Kostendruck entsteht - sowohl auf die Produzenten und Produzentinnen im Süden, als auch auf die Produzenten und Produzentinnen hier.
DOMRADIO.DE: Auf das EU-Mercosur-Abkommen haben sich die EU und die Mercosur-Staaten Brasilien, Argentinien, Paraguay und Uruguay im Sommer geeinigt. Es schafft die größte Freihandelszone der Welt und ist in vielerlei Hinsicht umstritten. Wo sehen Sie Probleme?
Tanzmann: Wir haben mit dem Mercosur-Abkommen ein ganz massives menschenrechtliches Problem. Unter anderem ist Brasilien Partnerland. Wenn man sich die Nachrichten über Menschenrechtsverletzungen und Landvertreibungen von dort anschaut, halten wir es für ein ganz, ganz falsches Signal, mit so einem Staat ein Freihandelsabkommen zu schließen, was noch mehr auf Agrarliberalisierung und Agrarhandel setzt. Von diesem Abkommen profitieren, wenn, nur die absoluten Mega-Betriebe in Brasilien, die sehr, sehr große Soja-Plantagen haben, die in großem Stil Mais anbauen oder Viehzucht betreiben. Das ist ein ganz falsches Zeichen an diese rechtsradikale Regierung in Brasilien.
DOMRADIO.DE: Auch bei Landwirten in Deutschland ist das Mercosur-Abkommen umstritten. Mit anderen ihrer Forderungen - etwa für striktere Umweltschutzauflagen - gehen viele Landwirte nicht konform. Können Sie die Bedenken der Bauern in Deutschland auch ein bisschen nachvollziehen?
Tanzmann: Wir sind jetzt seit zehn Jahren auf der Straße und setzen uns für eine Art soziale Agrarwende ein, die natürlich auch die Bauern mitnehmen soll. Es kommen ja auch sehr viele Bauern zu unserer Demonstration. Der Kostendruck auf die Betriebe - sowohl biologisch, aber gerade auch konventionell - ist sehr, sehr hoch. Viele Betriebe stehen mit dem Rücken zur Wand. Wir sehen, dass die Angebote der Politik, wie ein Wandel begleitet und finanziert werden soll, nicht ausreichend sind. Da muss sich einiges ändern, zumal viele der Landwirte natürlich auch Investitionen auf Basis von Politikanreizen getätigt haben, die sich jetzt ins Gegenteil verkehren.
DOMRADIO.DE: Deswegen haben Sie die Demonstrationen in diesem Jahr auch unter das Motto gestellt: Bauern beim Umbau der Landwirtschaft unterstützen. Welche praktischen Hilfen fordern Sie für die Landwirte in Deutschland?
Tanzmann: Eine klare Forderung, die von den bäuerlichen Betrieben innerhalb unseres Bündnisses kommt, ist natürlich, dass es mehr Geld aus den EU-Agrarsubventionen für die ersten Hektare und für Agrar- und Umweltmaßnahmen geben muss. Es darf nicht nur eine Flatrate-Zahlung für eine möglichst große Fläche geben. Statt dessen müssen gezielt kleine und junge Betriebe gefördert werden, gerade wenn sie biodiversitätsschonend und klimafreundlich wirtschaften. Das muss endlich richtig entlohnt werden.
Mit diesen Aufgaben stehen viele Betriebe bis jetzt ziemlich allein. Das ist ein Problem, das wir weltweit haben. In Brasilien ist das auch nicht anders. Auch da verursachen die großen Betriebe die meisten Umweltprobleme, sind aber kostenführend auf dem Weltmarkt.
Das Interview führte Renardo Schlegelmilch