domradio.de: Was macht für Sie denn eine gute Predigt aus?
Steffensky: Zunächst, dass sie nicht zu lang ist. Die Predigt ist nicht der Mittelpunkt des Gottesdienstes, sondern loben, singen, beten ist der Mittelpunkt und die Predigt hat einen Platz aber nicht einen zu großen. Dann wünsche ich mir eine einfache Sprache in der Predigt. Die Sprache müsste in gleicher Weise von Professoren und Müllarbeitern verstanden werden. Dann wünsche ich mir, dass der Text ernst genommen wird. Das der Text nicht nur ein Aufhänger ist für irgendwelche Aussagen moralischer Art, sondern er steht in sich als Predigt. Er ist die Einführung in die Bilder der Freiheit und der Würde dieser Tradition. Das wünsche ich mir von einer Predigt.
domradio.de: Jetzt kann ich mir vorstellen, wenn man auf Knopfdruck all das, was Sie jetzt selbst hier an Reglements aufführen, erfüllen muss, dass das unheimlich schwierig ist. Wo nehmen Sie denn Ihre Ideen her?
Steffensky: Zunächst aus der Bibel und aus der Zeitung. Ich versuche eigentlich nicht mich selber zu predigen, das heißt ich habe eine Vorlage. Die Geschichten dieser Tradition, die ich verwickle in die gegenwärtigen Leiden und Sorgen der Menschen. Ich glaube nicht, dass das so schwer ist, wenn man die Predigt nicht überfrachtet an Bedeutung. Sie hat eine Bedeutung, aber nicht eine zu große.
domradio.de: Sie sind zur evangelischen Kirche übergetreten. Hat das für Sie persönlich auch etwas damit zu tun gehabt, dass das Wort - das gesprochene oder gelesene Wort - da vielleicht eine wichtigere Rolle spielt?
Steffensky: Nein, eigentlich nicht. Das Wort spielt in der katholischen Kirche inzwischen eine beinahe ebenso große Rolle. Es ist schon wahr, dass evangelische Predigten eine größere Tradition haben, aber so unterschiedlich ist das nicht mehr.
domradio.de: Sie sind ja für Ihr Lebenswerk ausgezeichnet worden. Wenn Sie sich Ihre Predigten anschauen, gibt es da eine Predigt auf die Sie ganz besonders stolz sind?
Steffensky: Ich weiß es nicht. Ich habe sogar einmal über die Hosen des heiligen Josefs gepredigt, das war eigentlich ganz lustig.
domradio.de: Sie haben angekündigt, dass der diesjährige evangelische Kirchentag Ihr letzter sein soll. Wollen Sie dann auch aufhören zu predigen oder werden Sie das weiter tun?
Steffensky: Nein. Ich will nur nicht mehr zu solch großen Veranstaltungen. Aber predigen und lehren und Vorträge halten, das tue ich weiterhin.
domradio.de: Wenn Sie in die Zukunft blicken, was würden Sie sich wünschen? Welche Bedeutung sollen Predigten haben für die Menschen heute?
Steffensky: Ich glaube, dass man sich nicht selbst trösten kann. Also dass Trost immer einem von außen zugesprochen werden kann. Das wünsche ich mir, dass Predigten trösten und einen aufrütteln. Auch der Empörung der Menschen einen Raum geben. Predigen heißt ja auch eine prophetische Wahrheit verkündigen, die nicht selbstverständlich ist.
domradio.de: Vielen Dank für das Gespräch!
Das Interview führte Verena Tröster.