DOMRADIO.DE: Warum braucht es in der Kirche denn eigentlich Synoden? Die Kirche an sich ist ja hierarchisch organisiert. Da könnte man ja sagen: der Chef entscheidet.
Prof. Dr. Matthias Remenyi (Fundamentaltheologe Uni Würzburg, Mitveranstalter der Tagung "Synode als Chance"): Der Chef entscheidet ja nicht aus eigenem Gutdünken heraus, sondern weil er Teil des Volkes Gottes ist. Seine Aufgabe ist, das Votum - den Glaubenssinn, sagt man theologisch - des Volkes Gottes in Sprache zu bringen. Also er ist zumindest nach theologischem Verständnis kein absoluter Monarch, sondern das Sprachrohr des Volkes Gottes, das unterwegs ist, geleitet durch den Heiligen Geist.
DOMRADIO.DE: Synodalität wird im Moment viel diskutiert, auch wegen des weltweiten Prozesses von Papst Franziskus. Aber Synoden sind für die Kirche ja nichts neues...
Remenyi: Ganz genau. Synodalität ist ein Grundprinzip der Kirche, eine Grundidee des kirchlichen Miteinanders und deswegen ist es ein unverzichtbares Instrument der Willensbildung und der Willensfindung in der Kirche.
DOMRADIO.DE: Viel Kritik am Synodalen Weg in Deutschland verweist auf das Vorgängerprojekt, die Würzburger Synode aus den 1970ern. Damals wurde auch für das Frauendiakonat plädiert, das hat der Vatikan aber dann einkassiert. Warum hat das damals nicht funktioniert und warum erhofft man sich jetzt mehr zu erreichen?
Remenyi: Es ist die extrem spannende Frage. Sie sagten gerade, der Vatikan habe das einkassiert. Das ist ja eine euphemistische Formulierung. Er hat sie de facto gar nicht einkassiert. Er hat sie, etwas plump gesagt, noch nicht einmal ignoriert. Also er hat es einfach ins Leere laufen lassen. Und das ist eben eine bevorzugte Taktik, mit Ergebnissen umzugehen dieser genannten Willensbildung, die unliebsam sind, sie einfach zu ignorieren, dass man sie links liegen lässt.
Die spannende Frage ist aber, ob dieses Votum zugunsten des Frauendiakonats, das man 1974 getroffen und 1976 publiziert hat, obwohl es auf der amtlichen Ebene einfach unbeachtet geblieben ist, dennoch sinnlos war und ergebnislos? Das ist die Frage nach der Ereignisqualität von Synoden. Das ist die Frage nach der Performanz von synodalen Ereignissen, also nach dem Impuls, der durch das Miteinander ausgeht. Genau diesem Aspekt widmet sich unsere Tagung "Synode als Chance".
DOMRADIO.DE: Das heißt, eine Synode wird nicht zum Misserfolg nur weil die verbindlichen Reformentscheidungen fehlen?
Remenyi: Genau das ist der entscheidende Punkt. Die These unserer Tagung ist, dass ein synodales Ereignis nicht nur gemessen werden darf an der Umsetzung seiner Papiere, an der konkreten Operationalisierung. Das natürlich auch. Es ist eine Schande, wie wenig zum Beispiel von der Würzburger Synode aufgegriffen worden ist. Das muss man ganz klar so sagen.
Aber das ist eben nur die eine Seite. Die andere Seite ist die Frage: Welche Impulse, welche Veränderungen kommen einfach durch die Art und Weise des Miteinanders in Gang? Und da ist ja viel passiert.
Denken Sie an die Aufregung nach der Ablehnung des Grundtextes zur Sexualethik auf der vierten Synodalversammlung im Herbst 2022. Denken Sie an die Dynamik, die danach entstanden ist, dass andere Texte, die mindestens genauso kontrovers waren, ganz problemlos durchgegangen sind. Da ist eine ganz paradoxe Situation entstanden dadurch. Es ist eine Dynamik entstanden und diese Dynamik anzusehen ist unglaublich spannend und interessant.
DOMRADIO.DE: Sie sprechen nicht bloß über die Würzburger Synode in den Siebzigern, auch über die Dresdner Synode. Was ist das denn?
Remenyi: Es gab parallele Prozesse, nicht nur in Westdeutschland, sondern auch in Ostdeutschland. Es gab Lokalsynoden 1969 und 1970, und es gab eben diese Pastoralsynode in den Bistümern der damaligen Deutschen Demokratischen Republik von 1973 bis 1975, und auch da werden auf der Tagung Zeitzeugen dabei sein, die aus ihrer Perspektive nicht nur etwas von den formalen Aspekten einbringen können, sondern eben auch vom Spirit, der damals geherrscht hat.
DOMRADIO.DE: In Rom steht im Herbst das erste große Treffen zur Weltsynode an. Wie blicken Sie darauf? Und auf das allgemeine Miteinander mit Rom?
Remenyi: Es geht mir wirklich nicht darum, den beklagenswerten Status quo der Rezeption von theologischen Ergebnissen solcher Synoden schönzureden. Das ist überhaupt nicht mein Ansinnen. Das ist einfach bitter, was hier passiert. Und diese Stoppschilder, die ein ums andere Mal aus Rom kommen, diese Gesprächsabbrüche, diese Totalblockade, die Wagenburgmentalität, das ist alles einfach nur bitter. Und das macht auch ratlos. Und das macht in einer gewissen Weise auch ohnmächtig. Das will ich in keiner Weise schönreden.
Trotzdem glaube ich, dass es zu wenig ist, einfach nur zu sagen, dass der Synodale Weg in Deutschland ein kirchenrechtliches Nullum und sinnlos gewesen ist. Ich glaube, das wird dem synodalen Prozess in Deutschland nicht gerecht. Sondern man muss eben auch neben der Frage der Rezeption auch die Frage der Dynamiken stellen, die dadurch ausgelöst worden sind. Und das ist, glaube ich, eine lohnende Frage.
Das Interview führte Renardo Schlegelmilch.