Medienbischof Fürst über ganz neue Herausforderungen

Funktionieren Gottesdienste über die Medien?

"Mein Alltag hat sich radikal geändert". Der Medienbeauftragte der katholischen Kirche steht vor ganz neuen Herausforderungen. Wie können Gottesdienste funktionieren, wenn sie nur über die Medien gefeiert werden?

Bischof Gebhard Fürst / © Julia Steinbrecht (KNA)
Bischof Gebhard Fürst / © Julia Steinbrecht ( KNA )

DOMRADIO.DE: Womit befassen Sie sich im Moment, was nicht mit Corona zu tun hat?

Bischof Gebhard Fürst (Bischof von Rottenburg-Stuttgart und Medienbischof der Deutsche Bischofskonferenz): Nur mit ganz wenigem. Was ich im Augenblick mache, ist, dass ich die Gottesdienste vorbereite, die im Dom stattfinden, die dann über Video in die Diözese übertragen werden.

DOMRADIO.DE: Wie ist denn so die Lage bei Ihnen im Bistum? Können Sie uns das beschreiben?

Fürst: Es herrscht natürlich außerordentliche Betroffenheit darüber, dass wir keine Gottesdienste mehr feiern können, dass die Sakramentenspendung sehr eingeschränkt ist, insbesondere bei Beerdigungen, Taufen, Hochzeiten, aber auch bei der Feier der Eucharistie. Das schmerzt die Menschen sehr und ich habe den Eindruck aus den Rückmeldungen, dass die Leute jetzt spüren, was es bedeutet, wenn man am Sonntag weiß, dass die Eucharistie gefeiert wird und man diese auch mitfeiern kann.

DOMRADIO.DE: Sie haben gerade gesagt, dass es mit Sakramenten wie Hochzeit und Beerdigung gerade schwierig ist. Wie gehen Sie im Moment damit um? Was haben Sie für Lösungen gefunden?

Fürst: Bei Hochzeiten und Taufen gibt es natürlich keine Möglichkeit im Augenblick. Beerdigungen können auf dem Friedhof stattfinden, allerdings mit Beschränkung auf maximal fünf bis zehn Personen, denen ganz detailliert vorgeschrieben wird, wie sie sich zu verhalten haben. Also wenn sie ans offene Grab treten, dass sie Distanz zueinander halten usw.

DOMRADIO.DE: Was macht das denn mit Ihnen persönlich, wenn man die Sakramente nun nicht spenden oder empfangen kann? Die Sakramente sind ja im Prinzip das wichtigste im Leben eines Christen.

Fürst: Ja, wie soll ich das sagen? Das belastet und bestürzt mich. Denn es ist in der Tat so, dass die Sakramente nicht irgendetwas sind. In der traditionellen Sprache sagen wir ja "Mittel zum Heil an den Menschen." Und wenn das nicht stattfinden kann, fehlt der Kirche ein wesentliches Element ihrer Botschaft in den Zeichen.

Also ich habe vor allem eine Sorge, dass wenn jetzt die Sakramente nicht mehr so im Zentrum stehen können, eine Tendenz in unserer Gesellschaft entsteht, dass wir den Eindruck haben oder gar nicht daran denken, dass Gott in dieser Welt wirklich wirkt und dass wir alles nur gemeinsam schaffen. Diese Sakramente, dass Gott durch uns wirkt und dass Gott durch die Sakramente so an uns wirkt, dass wir selber wirksam sind.

Ich befürchte, dass das verloren gehen könnte. Also die sakramentale Dimension darf nicht beschädigt werden, sonst werden wir an wesentlichen Dingen beschädigt.

DOMRADIO.DE: Für einen Großteil Deutschlands hat sich der Alltag von heute auf morgen verändert. Wie sieht denn das bei Ihnen im Alltag aus, was hat sich da in den letzten Wochen verändert?

Fürst: Mein Alltag hat sich radikal geändert. Ich bin normalerweise jeden Tag unter Menschen, in Gemeinden, bei Diskussionen, Gesprächen, Treffen mit Gruppen. Mein Tagesablauf sieht momentan so aus, dass die einzige Konstante das Beten ist. Die Tagzeiten des kirchlichen Gebetes geben mir eine Struktur. Das ist für mich eine große Hilfe, dass ich im Vielerlei der neuen Anforderungen nicht allein gelassen bin.

DOMRADIO.DE: Kommen Sie denn noch aus dem Haus heraus oder sind Sie die ganze Zeit im Bischofshaus?

Fürst: Nein, ich komme schon aus dem Haus heraus, aber natürlich sehr reduziert. Ich gehe manchmal in den Dom, wenn wir für die Livestreaming-Gottesdienste etwas einüben oder Absprachen treffen. Ich gehe manchmal auch in dem schönen großen Park vor meinem Bischofshaus spazieren. Aber sonst findet der Tag überwiegend im Bischofshaus statt.

DOMRADIO.DE: Schauen wir doch einmal auf die Gottesdienste. Sie haben gesagt, dass Sie die Gottesdienste in der Liveübertragung planen. Das ist ja etwas, was in vielen Bistümern und Gemeinden quasi von null aus dem Boden gestampft wurde. Was ist denn anders daran, einen Gottesdienst für eine Internetübertragung zu planen als ein normales Pontifikalamt?

Fürst: Mit Ausnahme der Substanz des Gottesdienstes ist alles anders. Jetzt im fortgeschrittenen Stadium sind wir ja angehalten, die Kirche zuzuschließen und niemand in der Kirche zu haben.

Also ich zelebriere die Festtage, die großen Festtage der Kirche alleine vor leeren Bänken. Ich habe mit mir einen Diakon, andere liturgische Dienste, einen Organisten, eine Kantorin, aber das darf fünf bis sieben Leute nicht übersteigen. Das gibt natürlich zunächst den Eindruck einer großen Verlassenheit.  Deshalb ist es ganz wichtig, dass die Kamera so geführt wird, dass sie an die einzelnen Menschen herangeht, und dass ich zum Beispiel bei der Begrüßung und bei den Gebeten möglichst viel Kontakt in die Kamera suche und auch die Menschen virtuell, die an den Bildschirmen sitzen, anspreche. Ich möchte sie hereinholen.

Wir feiern Liturgie hinter verschlossenen Türen, aber wenn wir an den österlichen Christus denken, haben die verschlossenen Türen ihn nicht abgehalten, seine Jünger, die verängstigt zusammen waren, zu besuchen. Er kam durch die verschlossenen Türen und war unter den Menschen.

Also solche Dinge, wo man die Gläubigen, die an den Bildschirmen sitzen, direkt anspricht und ihre Gefühle aufnimmt, das ist besonders wichtig. Und noch etwas ist mir besonders wichtig: Die an Zeichen reiche Liturgie der Katholischen Kirche muss im Video rüberkommen. Das heißt, man muss auch da nahe herangehen.

DOMRADIO.DE: Kann man da eigentlich ganz simpel gefragt, Kameraleute und Tonleute noch im Dom haben oder ist das alles von außen geregelt?

Fürst: Also wir haben es im Dom bei uns so, dass unser Tonstudio nebenan im bischöflichen Ordinariat ist und von dort aus diese Liveübertragung gesteuert werden kann und unsere Kameras sind auch beweglich. Die können heranzoomen, sie können auch Schwenks machen rauf und runter. Das läuft nicht durch Kameraleute im Dom, sondern die Kameras sind unabhängig von Menschen im Tonstudio zu steuern.

DOMRADIO.DE: Jetzt haben Sie gesagt, dass es ungewöhnlich ist, Gottesdienste vor einer leeren Kirche zu zelebrieren. Ich finde, dass man sich da als Außenstehender nur schwer reindenken kann. Was denken Sie in dem Moment, wenn Sie zum Beispiel die Gemeinde segnen sollen und da sitzt niemand vor Ihnen?

Fürst: Ich denke mit Kopf, Herz und Hand an die Menschen, die virtuell und deshalb auch irgendwie wirklich da sind. Da muss man seine Vorstellungskraft darauf ausrichten, dass die leeren Bänke nicht leer sind, sondern besetzt sind durch die Menschen an den Bildschirmen.

DOMRADIO.DE: Das passt ja auch irgendwie zum Katholisch sein. Wir denken ja an viele Sachen, die man nicht direkt sehen kann.

Fürst: So ist das. Auch das Wissen darum, dass wir im Glauben, in der Taufe und der Firmung miteinander verbunden sind und weltweit sowieso. Wir freuen uns, dass wir selber dabei sein können und die Eucharistie gefeiert wird und wir ein Amt haben, was unabhängig von allem wirklich auch die Eucharistie feiern kann, das verbindet uns und das ist eine große Hilfe.

DOMRADIO.DE: Herr Bischof Fürst, ich habe eine Frage, die ich am Ende versuche jedem Gesprächspartner zu stellen. In dieser für uns alle herausfordernden Zeit, an die wir uns gewöhnen müssen, was gibt es für Momente in Ihrem Alltag, die Ihnen Hoffnung bringen?

Fürst: Mir hat sehr viel Hoffnung gebracht, mich getröstet und mir Mut gemacht, dass ich erfahren habe, dass die ehrenamtlich tätigen Menschen in den Gemeinden unserer Seelsorge nicht vor dieser Situation erstarrt oder unbeweglich geworden sind, sondern dass sie wirklich vom Heiligen Geist getrieben worden sind, jetzt Hand an zu legen, an die Menschen zu denken und miteinander das Beste aus dieser Situation zu machen.

Ich spüre, dass da etwas wirksam ist, was wir nicht planen können, sondern was aufgrund der Spontanität an getauften und gefirmten Christen in den Gemeinden gelingt. Das sind große Zeichen der Hoffnung, die mich in dieser Situation begleiten und stärken.

Ich denke und hoffe, dass wir dieses von unten her Verantwortung übernehmen für den Glauben, für die Nächstenliebe und für die Gegenwart Gottes in dieser Welt, dass wir das vielleicht in die neue Situation nach der Krise mit hinübernehmen können.  

Das Interview führte Renardo Schlegelmilch. 

Quelle:
DR