Drei runde Fußballer-Geburtstage in weniger als zwei Wochen - das ist hattrickverdächtig. Brasiliens Ballzauberer Pele macht am 23. Oktober den Anfang; er vollendet sein 80. Lebensjahr. Es folgt der erste Ehrenspielführer der Nationalelf Fritz Walter, der am 31. Oktober 100 Jahre alt geworden wäre. Und dann, am 3. November, wird der "Bomber der Nation" Gerd Müller 75. Wenn Fußball für manch einen eine Ersatzreligion ist, dann gehören diese drei zweifellos zu den Hohepriestern ihres Sports.
Geht es auch eine Nummer kleiner? Natürlich. Oder vielleicht doch nicht so ganz. Denn Walter, Pele und Müller haben Fußballfreunden in aller Welt Momente für die Ewigkeit beschert. WM-Endspiel 1954 zwischen Deutschland und den Favoriten aus Ungarn: Bei klassischem "Fritz-Walter-Wetter", strömendem Regen also, führt der Kaiserslauterer seine Mannschaft zum "Wunder von Bern", dem ersten von inzwischen vier deutschen WM-Titeln.
Walter: "Vorbild auf dem Platz"
Einer, der wie viele andere Deutsche vor dem Radio klebte - damals gab es nur 20.000 Fernseher -, war Nikolaus Schneider. Bei der Übertragung, so erinnert sich der frühere Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, "spielte der Name Fritz Walter eine Hauptrolle: ein genialer Fußballer, technisch auf höchstem Niveau spielend; ein Stratege, der einen Blick für die Entwicklung des Spiels und seine Nebenspieler hatte und der auf dem Platz als Vorbild wirkte, an dem andere sich orientieren konnten."
Rundfunkreporter Herbert Zimmermann fing sich damals übrigens einen Rüffel wegen seiner überschäumenden Begeisterung über Walters Mitspieler Toni Turek ein. Die Paraden des Torhüters kommentierte er mit den Worten: "Turek, du bist ein Teufelskerl - Turek, du bist ein Fußballgott." Kirchenobere zeigten dem Kommentator damals die Gelbe Karte.
Pele: 1.281 Tore
Doch weiter zu einem nach den Maßstäben der ohnehin leicht größenwahnsinnigen Branche wahrhaft Überirdischen: Pele. Exakt 1.281 Tore schoss der Stürmer in seiner langen Karriere. Für Edson Arantes do Nascimento, so zumindest hält der Schriftsteller Eduardo Galeano fest, hätten selbst Söldner und Soldaten in Afrika einen Moment lang Frieden gehalten. "Nigeria und Biafra schlossen eine Waffenruhe, um ihn spielen zu sehen."
Die WM 1970 sah Pele auf dem Höhepunkt seiner Karriere. So umkurvte er im Halbfinale gegen Uruguay den Torwart, während der Ball auf der anderen Seite weiterlief, und verfehlte anschließend nur knapp. Mit "genialen Aktionen" wie diesen prägte Pele nach dem Urteil von Fußballkenner und Autor Klaus Zeyringer das "jogo bonito", das "schöne Spiel" der Brasilianer. Selbstredend, dass Pele seine Leistung 1970 mit dem WM-Gewinn krönte - seinem dritten.
Müller, der "Balletttänzer"
Vier Jahre später dann nicht der spektakulärste, aber wohl einer der wichtigsten Volltreffer von Gerd Müller. In der 43. Minute traf der "Balletttänzer" mit den "Betonoberschenkeln" zum 2:1 gegen die Niederlande. Deutschland beendete die Partie in München als Weltmeister - zum zweiten Mal nach 1954. "Er traf zuverlässig und verdaddelte kaum Riesenchancen", fasst Nikolaus Schneider zusammen, der selbst beim VfL Hüttenheim in Duisburg das Tor hütete. Zudem sei Müller im Verhältnis zu anderen "Großsprechern" bescheiden aufgetreten, "fast zu bescheiden".
Nach Müller nämlich bevölkerten andere Charaktere den Platz, wie Historiker Hans Woller in seiner unbedingt lesenswerten Biografie über den aus Nördlingen stammenden Stürmer schreibt. Plötzlich liefen Spielertypen wie Uli Hoeneß oder Paul Breitner für Müllers Verein Bayern München auf. "Aufstiegsbesessene Individualisten", die vor allem eines wollten: "in kurzer Zeit viel Geld verdienen und in der Öffentlichkeit etwas gelten".
Die Zeiten haben sich geändert
Heute taugen deren Allüren im Milliardengeschäft Fußball nicht mal mehr zu einer Randnotiz. Stattdessen beißt ein Franck Ribery in ein mit Blattgold gepudertes Steak, weigert sich 100-Millionen-Mann Gareth Bale, für seinen Verein Real Madrid aufzulaufen. Und selbst ein Torjäger mit Saubermann-Image wie Robert Lewandowski nimmt es mit Steuerzahlungen offenbar nicht allzu genau.
Die Zeiten habe sich geändert, meint Zeyringer. "Ob der Fußball heute ethisch dazu taugt, Vorbilder zu liefern, bezweifle ich sehr." Aber für junge Leute blieben Kicker "nach wie vor ein Karrierevorbild und eine Art Promi-Idol". Der Rubel rollt munter weiter, etwa beim Verkauf von Spieler-Leibchen. "Die Leute ziehen sich das Trikot über und simulieren damit, im Gewand, wenn nicht in der Haut des Idols zu stecken."
Auch der Theologen und Fußballfreund Nikolaus Schneider macht sich seine Gedanken. Der Sport diene inzwischen vor allem der Logik des Geldverdienens. "Ich bin zwar überzeugt, dass es Menschen möglich ist, auch innerhalb eines solchen Systems zu guten Vorbildern zu werden - aber das ist sehr viel schwerer als zu Fritz Walters Zeiten."