Archäologen haben in Vilnius weitere Teile der im Holocaust zerstörten Großen Synagoge entdeckt. Bei Grabungen in der litauischen Hauptstadt wurden erstmals Teile des mit einem farbigen Blumenmuster verzierten Bodens sowie des Frauentrakts der Synagoge und eine monumentale ikonische Säule freigelegt, teilten die beteiligten Organisationen, darunter die israelische Altertumsbehörde, am Donnerstag mit.
Unter dem jüdischen Ritualbad (Mikwe) seien zudem zwei große Wasserspeicher entdeckt worden, welche für die Reinheit des Wassers nach jüdischem Religionsrecht benötigt wurden, hieß es. Die Forscher fanden auch Reste eines Wandabschnitts der Synagoge, die mit blauen und roten Motiven verziert waren.
Gemeinde gibt es nicht mehr
Die neuen Funde sowie frühere Entdeckungen ließen "Momente aus dem Leben einer untergegangenen lebendigen Gemeinde wieder aufleben", erklärten der israelische Grabungsleiter Jon Seligman und sein litauischer Co-Leiter Justinas Racas. Der archäologische Reichtum und die Spuren der Zerstörung erzählten "die tragische Geschichte einer Gemeinde, die hier lebte und die es nicht mehr gibt".
Die einst größte Synagoge der Stadt wurde laut Israelischer Altertumsbehörde im 17. Jahrhundert im Renaissance-Barock-Stil errichtet. Sie war das Kernstück des jüdischen Torah- und Studienzentrums "Shulhoyf", zu dem unter anderem zwölf Synagogen und Gebetsräume, ein Badehaus sowie Ritualbäder gehörten. Das Gebäude war während der NS-Zeit von Nationalsozialisten geplündert und in Brand gesteckt worden. In den 1950er Jahren war es durch die Sowjetbehörden vollständig abgerissen.
Ausgrabungen seit 2015
Die 2015 begonnenen Grabungen sind Teil des Projektes "Erbe ohne Grenzen", durch das jüdische Stätten außerhalb Israels erforscht werden sollen. Bisher fanden die Forscher beispielsweise Überreste der vier Pfeiler der Synagoge, einen steinernen Tisch, der zu Torahlesungen genutzt wurde, sowie hebräischsprachige Inschriften aus dem Jahr 1796 mit den Namen der Stifter des Tisches. Weitere Funde waren Überreste des Torahschreins und die Bima, jener Platz, von dem im Synagogengottesdienst die Torah gelesen wird, sowie Gebetsbücher.