G7-Gipfel auf Sizilien

"So viel heiße Luft kann der Ätna nicht ausspucken"

Der G7-Gipfel in der sizilianischen Stadt Taormina hat die ganz großen Themen im Gepäck - Klimawandel, globaler Handel oder Migration. Beherrscht wurde er aber von Uneinigkeit und Resignation. Eine vertane Chance, findet World Vision.

Autor/in:
Das Intervie führte Carsten Döpp
Die Spitzen der G7-Staaten / © Guido Bergmann (dpa)
Die Spitzen der G7-Staaten / © Guido Bergmann ( dpa )

domradio.de: Man ist nach den Gesprächen ja nicht gerade euphorisch. Wie sehen Sie den Gipfel?

Marwin Meier (World Vision): Es droht wirklich eine peinliche Veranstaltung zu werden. Es sieht danach aus, als würde der benachbarte Ätna verlieren im "Heiße Luft ausspucken"-Wettbewerb im Vergleich zu dem, was die G7-Staatslenker hier nicht zusammen bekommen. Im Moment wissen wir noch nicht einmal, ob es das geben wird, was wir als ein Abschluss-Communiqué wirklich so titulieren könnten - das wäre das Konsenz-Statement. Es könnte sogar drohen, dass es nur zu einer Art Zusammenfassung des Gastgeberlandes kommt. Das wäre noch nie vorgekommen in der Geschichte des G7 oder G8 seit 1975, dass sie ein Abschluss-Communiqué verhandeln, es dann aber nicht schaffen, es zu verabschieden. Es könnte aber auch einfach nur ein ganz dünn gewaschenes, allgemeines Statement geben ohne irgendwelche konkreten Zusagen. Das befürchten wir leider sehr.

domradio.de: Woran liegt es, dass so viel heiße Luft produziert wird?

Meier: Es ist ein bisschen komplizierter als einfach zu sagen, es läge alles nur an dem "Bad Boy" Donald Trump - und da sollten wir ihm auch nicht zu sehr auf den Leim gehen, als ob sich da wirklich ein Riss durch die westliche Welt auftut. Klar ist Japan noch mit dabei, aber der G7 oder G8 galt ja immer ein bisschen als die Wertegemeinschaft des traditionellen Westens.

Nehmen wir das konkrete Beispiel der Hungersnot, die gerade in Afrika und in Arabien, im Jemen herrscht, von der 20 Millionen Menschen betroffen sind. Die Italiener wollten gerne eine Initiative zur Bekämpfung des Hungers weltweit auflegen. Der ganze Vorschlag wurde gekippt, weil sie die Einzigen waren, die auch Geld in den Topf gelegt haben. Auch Deutschland konnte sich nicht durchringen, hier konkrete Zusagen zu machen. Und das, obwohl es die Länder beim G8-Gipfel in L'Aquila 2009 geschafft haben, 22 Mrd. US-Dollar für die Ernährungssicherung zusammen zu bekommen. Das ist schon sehr traurig und ärgerlich.

domradio.de: Werden sich die Politiker tatsächlich die Blöße geben, keine Abschlusserklärung zu verabschieden?

Meier: Das ist schwer zu sagen. Vielleicht macht man ein Statement nach dem Motto "Wir waren zusammen, haben einem Konzert zugehört, haben uns auf merkwürdige Art und Weise de Hände geschüttelt und sind gegen das Böse in der Welt". Es gibt aber keine Andeutung, dass es hier konkretes Handeln gebe in einer Welt, die doch wirklich des konkreten Handeln bedarf. Das wird sehr stark den Druck erhöhen auf den im Juli stattfindenden G20-Gipfel in Hamburg, also in Deutschland.

Bei 20 Staaten ist es natürlich noch schwerer, etwas durchzudrücken, als es schon bei sieben Staaten ist. Wir haben politische Schwergewichte wie China und Indien, die auch noch überzeugt werden müssen. Also dieser Sommer, der eigentlich die zwei großen Konsenzforen in Europa gesehen hat, könnte zu einer echten Enttäuschung werden für die Probleme der Welt, egal ob bei Handel, Klima, Hunger, Terrorismusbekämpfung oder Migration. Das wäre wirklich sehr schlimm.


Quelle:
DR