Mit dem Papst hatten Luther und die Seinen größte Probleme. Bald 500 Jahre später sieht die Sache anders aus. Die evangelische Botschafterin für das Reformationsgedenken 2017, Margot Käßmann, sieht in Franziskus einen "Reformator", den sie in sozial-ethischen Fragen sogar in ihrer Predigt zitiert. Erzbischof Georg Gänswein, Präfekt des Päpstlichen Hauses, bleibt da nur Staunen - und die Bemerkung, die Theologin habe den argentinischen Pontifex "eingesackt". Die eloquente Ex-Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) sollte an diesem Montagabend in Passau noch öfter Treffer setzen - und zwar für beide Kirchen.
Thema Umgang mit Terrorismus
"Wie viel Reform(ation) braucht die Kirche?" lautete das Thema, zu dem die Verlagsgruppe Passau in der Reihe "Menschen in Europa" geladen hatte. Was die Menschen zu hören bekamen, waren zunächst Gedanken angesichts der Terrorbedrohung. Käßmann weigert sich schlicht, Angst zu haben. Dabei gebe ihr der Glauben Haltung und Halt. Für Gänswein gilt: "Wir dürfen uns von Terroristen das Leben, den Glauben, die Zukunft und die Freiheit nicht nehmen lassen." Er erinnerte an die Worte von Franziskus, der es eine Schande genannt hatte, den Namen Gottes für solche Untaten zu gebrauchen.
Lob gab es für die vielen christlichen Gemeinden, die sich in Deutschland der Flüchtlinge annehmen. Sie und nicht die "Pegida"-Anhänger verteidigten mit ihrem Handeln das christliche Abendland, betonte Käßmann. Der Erzbischof ergänzte, hier werde christliche Nächstenliebe praktiziert an denen, die kommen. Solches Handeln helfe, den eigenen Glauben zu vertiefen und glaubhaft zu sein. Im Vatikan sei das Öffnen der Tore von Deutschland für die Flüchtlinge als vorbildlich angesehen worden "Das hat auch mich stolz gemacht", sagte der seit Jahren in Rom lebende Gänswein.
Sorgen bei manchem Bürger angesichts der hohen Flüchtlingszahl kann Käßmann nachvollziehen. Missionarisch gesehen sei eine solche Situation eine Herausforderung, gelte es doch zu klären: "Was glauben die, was glauben wir?" Vor allem aber solle die Gesellschaft zu ihren christlichen Werten stehen, die Europa geprägt haben. Absurd werde es, wenn manche von einem "Sonne-, Mond- und Sterne-Fest" statt von einer "Sankt-Martins-Feier" sprechen wollten. "Es kann keinem schaden, die Geschichte vom heiligen Martin zu hören, der seinen Mantel für einen Bettler teilte", so die evangelische Theologin unter Applaus.
Reformen in der Kirche?
Und wie schaut es mit Reformen aus? Kirche brauche immer Reformen, gab die Protestantin die Vorlage. "Das ist eine alte Erfahrung", bestätigte Gänswein. Die These Käßmanns, dass es in gärenden Zeiten am Ende immer eine Person brauche, die alles in Worte fasse und die Leute mitnehme, wollte er nicht mittragen und legte den Finger in die Wunde: "Wir dürfen nicht vergessen, dass mit der Reformation die Einheit verloren gegangen ist."
Heute aber "verbindet uns mehr als uns trennt", beschwor die Protestantin den Geist der ökumenischen Bewegung. Diese sei noch jung und erst seit den bitteren Erfahrungen beider Kirchen in der NS-Zeit gewachsen, entgegnete Gänswein. Das Reformationsgedenken sollte deshalb zur Gewissenserforschung genutzt werden. In der katholischen Kirche hoffen derweil viele auf Franziskus.
Konsequenzen der Familiensynode diskutiert
Welche Konsequenzen der Papst aus der Familiensynode ziehen wird, treibt auch Gänswein um. Als er die Frage der Zulassung wiederverheirateter Geschiedener zur Kommunion mit den Worten "Das interessiert einige wenige" abtat, gab es Buhrufe. Da half auch der Hinweis nicht: "Ich spreche von der Universalkirche." Es gebe eben nur einen Glauben, der könne keine "katholische Light-Lösung" extra für Westeuropa zulassen.
Käßmann mischte sich nicht ein. Sie kommentierte auch nicht, als Gänswein kritische Publikumsfragen zum Zölibat und zum Priesterberuf allein für Männer verteidigte. Als dann jemand wissen wollte, ob der Gott der Bibel derselbe sei wie der des Islam, war es die einstige Bischöfin, die das heikle Thema anpackte. Christen könnten in Respekt anwesend sein, wenn Muslime beteten. Doch ein gemeinsames Gebet mit Muslimen oder Juden gehe nicht, da dann Jesus Christus herausfalle. "Einverstanden", sagte Gänswein.