Im Gegensatz zu vielen anderen Ländern ist das Verbrennen von religiösen Schriften in Schweden erlaubt. Dies hat, wie Prof. Michael N. Ebertz in seinem Interiew hervorhebt, zunächst einmal nichts mit einer besonderen Religionsfeindlichkeit der Schweden zu tun, sondern mit der starken Stellung der Meinungsfreiheit in dem nordischen Land. Der gesetzliche Schutz der Meinungsfreiheit ist so stark, dass er auch das Schänden heiliger Bücher, wie des Koran, erlaubt.
Die Aufmerksamkeit, die die beiden bisherigen Koranverbrennungen in der internationalen Öffentlichkeit hervorgerufen haben, haben in der Zwischenzeit zu einem "copy-cat-Effekt" geführt. Den schwedischen Behörden liegen jetzt Anträge von weiteren zehn Personen vor, die in den nächsten Tagen heilige Schriften verbrennen wollen.
Die Tageszeitung "Dagens Nyheter" hat mit diesen Personen Kontakt aufgenommen und sie zu ihrem Hintergrund befragt. Dabei hat man gewisse Gemeinsamkeiten festgestellt: Keiner von ihnen ist in Schweden geboren und alle führen ein "verwirrtes Leben". Sie freuen sich über etwas Aufmerksamkeit, spiegeln aber in keiner Weise die öffentliche Meinung des Landes.
Die öffentliche Meinung neigt wohl eher dazu, dass die gegenwärtige schwedische Rechtsprechung unglücklich ist und aus einer Zeit stammt, in der der Schutz religiöser Minderheiten in Schweden noch kein Thema war. Sollte man das Gesetz dann nicht ändern und das Verbrennen heiliger Schriften verbieten? Nein, sicherlich nicht jetzt, nach der Stürmung der schwedischen Botschaft in Bagdad unter Drohungen und Druck.
Eines hat man von den Verhandlungen mit dem türkischen Präsidenten Erdogan über den Nato-Beitritt des Landes gelernt: Die schwedische Rechtsprechung darf sich nicht durch Druck aus dem Ausland manipulieren lassen. Genau das hat aber Erdogan versucht und das ist den Schweden übel aufgestoßen.
Irgendwann wird sich der Rauch der Koranverbrennungen gelegt haben und dann wird sich die Rechtsprechung den neuen gesellschaftlichen Verhältnissen anpassen. Bis dahin wird man rechtlich improvisieren müssen, um das Problem mit anderen Gesetzen in den Griff zu bekommen. Schweden sind da pragmatisch. Ein Gesetz, das Anstiftung zum Rassenhass verbietet, wird zur Anwendung kommen. Oder – im warmen Sommer – aus Brandschutzgründen ein einfaches Feuerverbot.
Über den Autor: Pater Philip Geister stammt gebürtig aus Hamburg. 1984 trat er dem Jesuitenorden bei und lebt seit 1992 in Uppsala in Schweden. Dort leitet es als Rektor das Newman-Institut, die philosophisch-theologische Hochschule der Jesuiten.