Fast 180.000 Menschen strömten in der ersten Woche in die wichtigste orthodoxe Kirche der russischen Hauptstadt - in die Christ-Erlöser-Kathedrale. Hier sind die Gebeine des Heiligen, eine Leihgabe aus dem süditalienischen Bari, ausgestellt. Allein am vergangenen Samstag kamen laut dem Moskauer Patriarchat 37.800 Menschen, um den goldenen Reliquienschrein zu berühren und vor ihm zu beten.
Die Warteschlange zieht sich kilometerlang an der Moskwa entlang. Die Kirche informiert auf einer eigens für das Gastspiel der Nikolaus-Reliquien eingerichteten Internetseite regelmäßig unter anderem darüber, wo die Schlange aktuell beginnt.
"Freudiges Ereignis"
Die Nikolaus-Reliquie war auf Bitten des russisch-orthodoxen Patriarchen Kyrill I. und von Papst Franziskus mit dem Flugzeug von Italien nach Russland gebracht worden. "Dieses freudige Ereignis ist ein weiteres konkretes Ergebnis unseres Treffens mit Papst Franziskus auf Kuba", sagte Kyrill I. bei einer Begegnung mit der vom Erzbischof von Bari, Francesco Cacucci, geleiteten katholischen Delegation.
Die Leihgabe der Nikolaus-Reliquien nannte Patriarch Kyrill I. ein "leuchtendes Beispiel für unser gemeinsames Zeugnis des christlichen Glaubens". Bei ihrer historischen - und bislang einzigen - Begegnung im Februar 2016 in der kubanischen Hauptstadt Havanna hatten Kyrill I. und Franziskus zur Wiederherstellung der Einheit aller Christen aufgerufen. Erst Ende Juli sollen die Gebeine zurück nach Bari gebracht werden.
Bis 12. Juli können die Reliquien in der Moskauer Kathedrale täglich von 8.00 Uhr bis 21.00 Uhr verehrt werden; anschließend werden sie bis 28. Juli in Sankt Petersburg ausgestellt. Schon jetzt ist klar, dass mit mehr als einer Million Pilger zu rechnen ist. Einer Umfrage zufolge wollen sogar 72 Prozent der Russen die Nikolaus-Reliquien aufsuchen.
Präsident Putin kam zum Reliquienschrein
Auch Staatspräsident Wladimir Putin war schon da. Er küsste den Reliquienschrein und zündete eine Kerze an. Bei einem Treffen mit Kyrill I. und dem koptisch-orthodoxen Papst-Patriarchen Tawadros II. würdigte er die Ausstellung der Gebeine des heiligen Nikolaus als "Großereignis für orthodoxe Gläubige in Russland" und dankte dafür Franziskus und dem Vatikan.
Bischof Nikolaus von Myra (Demre) in der heutigen Türkei ist einer der am meisten verehrten Heiligen in Russland. Ihm werden zahlreiche Wunder zugeschrieben. Er wurde Mitte des vierten Jahrhunderts in seiner Bischofsstadt beerdigt. Kaufleute aus Bari raubten 1087 seine Gebeine und brachten sie in ihre Heimat. Trotz dieses Diebstahls verehren ihn die orthodoxe und katholische Kirche gleichermaßen. Ob die Ausstellung der Nikolaus-Reliquien orthodoxen Russen die ihnen bislang fremde katholische Kirche näherbringt, ist offen. Die Zusammenarbeit zwischen beiden Kirchen schätzen viele orthodoxe Christen in Russland keineswegs.