Antwort von Weihbischof Dr. Schwaderlapp
Lieber Johannes,
Christentum ist erster Linie Beziehung zu Christus, Glaube an ihn, Vertrauen auf ihn und in seine Botschaft. Und wenn es um eine persönliche Beziehung geht, dann gehört dazu notwendigerweise der Dialog, das Gespräch. Wir können auch mit Menschen keine persönliche Beziehung eingehen, wenn wir nicht mit ihnen reden. Beten bedeutet reden mit Gott. Nun gibt es verschiedene Formen dieses Dialoges, die einander ergänzen:
Eine besondere Bedeutung hat das Vater unser, jenes Gebet, das Christus uns selbst gelehrt hat. Es sollte zum täglichen Gebetsrepertoire jedes Christen gehören. Es lohnt sich, dieses Gebet einmal sehr sorgfältig Wort für Wort zu betrachten und zu durchdenken. Es gibt eine Reihe weiterer formulierter Gebete, die uns auch helfen in Gemeinschaft zu beten. Das gibt es die Psalmen, jene alttestamentlichen Gebete, die auch zum festen Gebetsschatz Jesu gehörten und Kern des Stundengebetes der Kirche bilden. Den Psalmen ist keine menschliche Situation fremd: Freude und Leid, Dankbarkeit und Zorn, Angst und Verzweiflung. Es ist gut, wenn wir uns diese Worte zu eigen machen können.
Die geistliche Lektüre schlechthin ist die Heilige Schrift und hier noch einmal besonders das Neue Testament. Und hier wiederum an erster Stelle die Evangelien. Ich würde Dir empfehlen, jeden Tag ein wenig darin zu lesen und nicht nur zu lesen, sondern die Situation zu betrachten, sie zum Dialog mit dem Herrn zu machen. Versuche, Dir die Begebenheit im Evangelium bildlich vorzustellen. Es kann auch ein Hilfe sein, sich mal mit dieser, mal mit jener beteiligten Person zu identifizieren und aus ihrem Blickwinkel sozusagen das Geschehen zu betrachten. Es geht - wie gesagt - um die Beziehung zu Jesus Christus. Und diese Beziehung kann nur tiefer und intensiver werden, wenn ich ihn besser kennenlerne. Frag auch immer wieder einmal: "Herr, was willst du mir damit sagen - heute und hier?" Mein Vorschlag wäre, mit dem Beten einfach einmal anzufangen und zwar lieber täglich und kurz als ab und zu und dafür lang. Das Zwiegespräch mit Jesus sollte zum alltäglichen Normalfall werden. Dazu ist es hilfreich, sich auch feste Vorsätze zu nehmen, zum Beispiel tatsächlich jeden Tag fünf Minuten im Evangelium zu lesen und es zu betrachten.
Mir persönlich hat darüber hinaus der Rosenkranz sehr geholfen. Auf den ersten Blick mag er nicht sonderlich "cool" wirken, aber den Rosenkranz beten, bedeutet, das Leben Jesu mit den Augen seiner Mutter zu betrachten. Gibt es eine bessere Perspektive?
Aber Du musst auch nicht jetzt und sofort alles können und machen. Sondern, ich würde empfehlen: Klein beginnen, entschieden dranbleiben und so geduldig voranschreiten.
In der Hoffnung, Dir damit gedient zu haben, verbleibe ich mit allen Segenswünschen
Dein
+Dominikus Schwaderlapp