In der Nähe der Gedächtniskirche starb nach aktuellem Stand dadurch eine Frau. Sechs Personen sind weiter in Lebensgefahr und drei weitere schwer verletzt. Zudem gibt es mehrere leicht verletzte Personen. Auch der Fahrer, nach Angaben der Polizei ein 29-jähriger Berliner mit armenischen Wurzeln, wird in einem Krankenhaus medizinisch behandelt und weiter vernommen.
Berliner Generalvikar wirkt bei Gottesdienst mit
An dem Gottesdienst wirkten die evangelische Generalsuperintendentin Ulrike Trautwein und der Generalvikar des Erzbistums Berlin, Pater Manfred Kollig, mit. Sie dankten Polizei und Feuerwehr sowie den Notfallseelsorgerinnen und -seelsorgern, die in der Gedächtniskirche den Tag über rund 100 Betroffene und weitere Hilfesuchende betreut hatten. Trautwein betonte, es sei wichtig, "dass Menschen nach dem ersten Schock nicht alleine gelassen bleiben und über ihre Erlebnisse sprechen können".
"Wir alle hier in Berlin sind sehr betroffen von der Tat", sagte die regierende Bürgermeisterin von Berlin, Franziska Giffey (SPD), im ZDF. Man versuche alles, den Angehörigen und Opfern beizustehen, aber an so einem Tag sei es schwer, Trost zu spenden. Zum Stand der Ermittlungen erklärte sie: "Wir wissen bisher noch nicht genau, was die Motive waren." Ermittelt werde in alle Richtungen - vom gesundheitlichen Beeinträchtigungsschaden bis hin zu einer vorsätzlichen Tat.
Der Fahrer soll nach Angaben aus Sicherheitskreisen ein Plakat im Wagen gehabt haben, dass sich gegen die Türkei richte. Dazu erklärte Giffey: "Es gibt entgegen der Aussagen, die zwischendurch mal kamen, kein Bekennerschreiben. Es sind diese zwei Plakate gefunden worden auf der Rückbank, aber es ist noch nicht geklärt, ob das im Zusammenhang mit der Tat steht, wem die gehören und ob dahinter eine politische Aussage steht."
Schüler aus Bad Arolsen erfasst
Nach Angaben der hessischen Landesregierung sind unter den Verletzten "zahlreiche Schülerinnen und Schüler einer zehnten Klasse aus dem nordhessischen Bad Arolsen". Das Todesopfer des Vorfalls sei eine sie betreuende Lehrerin, ein Lehrer sei nach derzeitigem Stand schwer verletzt worden.
Der Vorfall ereignete sich an der Tauentzienstraße - und damit unweit des Anschlags vom 19. Dezember 2016 mit einem LKW auf den Weihnachtsmarkt auf dem Breitscheidplatz. Damals starben zwölf Menschen, mehr als 70 wurden verletzt. Später erlag auch ein 13. Opfer seinen Verletzungen.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier reagierte "mit großer Bestürzung" auf die Ereignisse: "Meine Gedanken sind bei den schwer und sehr schwer Verletzten, bei dem Todesopfer. Und sie sind bei denen, die Schreckliches erleben mussten."
Auch Hessens neuer Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) äußerte sich tief bestürzt. "Diese schockierende Nachricht aus Berlin macht mich fassungslos und tief betroffen", sagte er in Wiesbaden. "Meine Gedanken sind bei den Opfern, die voller Freude auf einer Klassenfahrt in der Hauptstadt waren."
Hessens Kultusminister Alexander Lorz (CDU) sagte: "Wir haben umgehend Notfallbetreuungsteams nach Bad Arolsen geschickt, um den Angehörigen, Mitschülerinnen und Mitschülern sowie den Lehrkräften beizustehen." Ein Team aus der Schule sei auf dem Weg nach Berlin, um den Jugendlichen sowie ihren Eltern zur Seite zu stehen. Diese werden bisher auch schon von Notfallseelsorgern vor Ort betreut.
Scholz und Giffey sprechen von "Amoktat"
Der tödliche Vorfall mit einem Auto am Berliner Ku'damm wird von der Bundes- und Landesregierung als Amoktat eingestuft. Nach Bundeskanzler Olaf Scholz äußerte sich auch Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (beide SPD) am Donnerstagmorgen entsprechend: "Das hat sich gestern Abend verdichtet", sagte Giffey im RBB-Inforadio. Durch die Ermittlungen der Polizei sei klar geworden, "dass es sich um die Amoktat eines psychisch schwer beeinträchtigten Menschen handelt". Auch Berlins Innensenatorin Iris Spranger (SPD) hatte sich am Mittwochabend bei Twitter so ausgedrückt.
Die Berliner Polizei nutzte den Begriff "Amoktat" hingegen zunächst bewusst nicht. Ein Polizeisprecher sagte am Donnerstag dazu: "Es gibt Tendenzen in diese Richtung, wir legen uns da aber noch nicht fest. Ermittelt wird weiterhin in alle Richtungen." Berlins Polizeipräsidentin Barbara Slowik hatte sich am Mittwochabend ähnlich geäußert.
Im Berliner Landeskriminalamt (LKA) ist eine Mordkommission für den Fall zuständig, nicht der Staatsschutz, der sich um politisch motivierte Kriminalität von Extremisten kümmert. Dies gibt einen Hinweis darauf, wie die Polizei den Fall nach den ersten Erkenntnissen einstuft.
Wohnung des Fahrers durchsucht
Bereits am Mittwoch wurde unter anderem auch die Wohnung des Fahrers in Charlottenburg von der Polizei durchsucht. Der Mann soll der Polizei wegen mehrerer Delikte bekannt gewesen sein, jedoch nicht in Zusammenhang mit Extremismus. Die Schwester des Verdächtigen sagte einem "Bild"-Reporter: "Er hat schwerwiegende Probleme." Nachbarn äußerten sich der Zeitung zufolge erstaunt, "dass er zu so einer Tag fähig ist."
Giffey sagte am Donnerstagmorgen über den Täter, mit Hilfe eines Dolmetschers werde versucht, mehr "aus den teilweise wirren Äußerungen, die er tätigt, herauszufinden". Ob die Plakate mit Bezug zur Türkei, die in dem Tatfahrzeug des Deutsch-Armeniers lagen, eine Rolle gespielt hätten, werde noch ermittelt. Sie sprach von einem "dunklen Tag in der Berliner Stadtgeschichte".
Die Notfall-Pläne zum koordinierten Einsatz aller Rettungskräfte und der psychosozialen Betreuung der Opfer hätten am Mittwoch "vorbildich gegriffen", sagte Giffey. Umgesetzt worden sei, was nach dem islamistischen Terroranschlag 2016 "als Notfall- und Aktionsplan erarbeitet worden ist". Am Mittwoch sei auch begonnen worden, ein Koordinierungsteam einzusetzen für die Opferhilfe.
Von den 24 Schülern der 10. Klasse Gruppe aus Hessen lägen 7 im Krankenhaus, sagte Giffey. Insgesamt seien sechs Menschen lebensgefährlich und drei weitere schwer verletzt worden. Darunter ist auch ein Lehrer. Die unverletzten Jugendlichen seien in ihrem Hotel von Berliner Schulpsychologen betreut worden. Noch am Mittwoch seien Eltern der Jugendlichen zusammen mit Schulpsychologen aus Hessen mit einem Bus angereist.
Als nächster Schritt folge die rechtliche und finanzielle Unterstützung zusammen mit der Opferhilfe und der hessischen Landesregierung. Sie habe in der Nacht noch mit dem hessischen Ministerpräsidenten gesprochen.
Zu möglichen Schutzmaßnahmen durch Poller an Straßen sagte Giffey, zu Wahrheit gehöre auch, "dass wir nicht die ganze Stadt abpollern können und auch nicht den ganzen Ku'damm abpollern können". Es werde aber von den Behörden untersucht, was zur Sicherheit zusätzlich möglich sei.
Paderborner Erzbischof Becker bestürzt über Todesfahrt
Der Paderborner Erzbischof Hans-Josef Becker hat sich unterdessen bestürzt über die Todesfahrt in Berlin geäußert. "Die jungen Menschen, die von dem Fahrzeug erfasst wurden, stammen aus dem Erzbistum Paderborn", erklärte er am Mittwochabend. "Meine Gedanken sind bei den Betroffenen und ihren Angehörigen, insbesondere bei der Familie des Todesopfers."
Auch wenn der genaue Hergang noch nicht abschließend geklärt sei, "bedeutet dieser Tod einen plötzlichen und sinnlos erscheinenden Verlust, der von Unbeteiligten nur schwer zu ermessen ist", so Becker. "Wo eben noch Lebensfreude und Zukunftspläne eines Menschen blühten, scheint dies alles nun abrupt vorbei zu sein." Christen hofften und glaubten, "dass der Tod nicht das Ende ist - so schwer dies in einer solchen Situation auch zu glauben ist". Alle von der Todesfahrt Betroffenen schließe er in sein Gebet ein.
Erzbischof Koch ruft zu Schweigeminute auf
Nach den bestürzenden Berichten über die Amoktat am Berliner Kudamm von Mittwoch ruft Erzbischof Heiner Koch alle Schulen auf, an diesem Freitag um 10.30 Uhr eine Schweigeminute zu halten.
"Besonders erschreckt und erschüttert hat mich, dass eine Schulklasse Opfer der Amokfahrt wurde. Ich bin im Gebet bei den Eltern, die ihre Kinder auf eine Klassenfahrt nach Berlin geschickt hatten, vor allem bei denen, die noch um das Leben ihrer Kinder bangen, bei den Angehörigen der getöteten Lehrerin und natürlich bei der ganzen Klasse: Alle Schülerinnen und Schüler sind tief verletzt, einige von ihnen auch schwer körperlich", sagte Koch in einer Mitteilung.
"Am Freitag, 10. Juni 2022, 10.30 Uhr, werden wir uns in allen katholischen Schulen und im Religionsunterricht an den öffentlichen Schulen in Solidarität, Trauer und Mit-Leiden mit der Klasse und der gesamten Schulgemeinschaft in Bad Arolsen im Gebet verbinden. Ich lade alle Berliner Schulen ein, sich dieser Schweigeminute anzuschließen", so der Berliner Erzbischof.